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Das Dach im historischen Ensemble (Essay)#

Text und Bilder von

Hasso Hohmann

Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von

ISG Magazin Heft 2 / 1983 (Internationales Städteforum Graz)


Abb. 1 - Skizze © Hasso Hohmann
Abb. 1 - Skizze © Hasso Hohmann

Wer im schönen Frohnleiten vom Tabor kommend zum Hauptplatz hinaufgeht, dem fällt eine große, graugedeckte Dachfläche zwischen den sonst einheitlich mit roten Ziegeln gedeckten Häusern störend ins Auge - eine Störung des Ortsbildes, schwerwiegender und schwerer zu beheben, als manche anderen Mängel. (Die Gemeinde plant, die Rückführung der Dachfläche auf entsprechende Ziegeldeckung im Hinblick auf das prominente Ortsbild großzügig zu fördern.)

Die Frage nach der richtigen Dachreparatur rangiert gleich nach dem Problem um die entsprechende Fenstersanierung. Oft erkennen Hauseigentümer nach einer unbedachten schnellen Entscheidung erst nach der Realisierung, wie störend das neue ganz andere Dach ihres Hauses im Ensemble wirkt. Eine neuerliche Änderung der Dachhaut ist aber aus Kostengründen dann meist nicht mehr zu erreichen.

Das Problem#

Neue Deckungsmaterialien, Deckelement-Formen, Dachfarben, Dachneigungen, Dachaufbauten wie Gaupen, Kehrstege, Antennen, Sonnenkollektoren, Werbung auf, aber auch in der Dachfläche, Dachflächenfenster, Einschnitte für Dachterrassen und überdimensionale Flachdächer brechen in die historischen Dachlandschaften ein und beeinträchtigen (in den meisten Fällen) in zunehmendem Maße seit Mitte des 20. Jahrhunderts Stadt- und Ortsbild.

Das geneigte Dach ist nahezu das einzige Architekturelement, das sich nicht in das sonst gewöhnlich rechtwinkelige Architektursystem einordnet. Dadurch prägt das Dach den Charakter eines Bauwerkes besonders stark.

Allgemeines#

Gestalten heißt allgemein, zu einem großen Prozentsatz, zueinander ordnen, Beziehungen herstellen, auf eine Situation die richtige Antwort finden. Zur Situation gehören hier die umgebende Landschaft genauso, wie die topografischen und klimatischen Vorgaben und auch die Bauaufgäbe, die den Gegebenheiten entsprechend formuliert sein muß.

Das Maß der Andersartigkeit neuer Bauformen muß auch in einem adäquaten Verhältnis zur Besonderheit der Funktion des Bauwerkes stehen. Die Kirche spielte im christlichen Abendland eine so dominierende Rolle, daß man mit Recht ihren Bauten einen formalen Sonderstatus einräumte. Auch die "Geschlechter-Türme" in vielen mittelalterlichen Städten demonstrieren eine Hierarchie nach außen. Gleichwertige Bauten sollten aber doch eher auch in ihrer äußeren Gestalt einen etwa gleichen Stellenwert erhalten. Das Dach spielt da eine wichtige Rolle.


Einige konkrete Denkanstöße kurzgefaßt:

Abb. 2 - Skizze © Hasso Hohmann
Abb. 2 - Skizze © Hasso Hohmann

Kombination verschiedener Dachformen#

Flachdächer sollten in Bereichen mit überwiegend geneigten Dächern nur für kleinere, niedrigere, untergeordnete Nebengebäude Verwendung finden. Größere Dachkörper sollten sich nicht in Kontrast zur bestehenden Dachlandschaft stellen. Sie sollen eher Neigung und Material der anderen Dächer aufnehmen. Müssen dennoch flach geneigte Dächer mit steilen kombiniert werden, so ist architektonisches Geschick erforderlich. Im allgemeinen hat sich für das Nebeneinander von steilem und flachgeneigtem Dach ein Wechsel in der Firstrichtung um 90° als vorteilhaft erwiesen (Abb.1).

Farbe der Dachlandschaft#

Geht eine Dach-Reparatur über das Auswechseln einzelner Ziegel oder Deckplatten hinaus, so erhebt sich die Frage nach der entsprechenden Neueindeckung. Da die Farbe des Deckmaterials für das Ensemble von besonderer Wichtigkeit ist, sollte jedenfalls ein Material mit einer der umgebenden Dachlandschaft entsprechenden Farbe gewählt werden. Im wesentlichen unterscheidet man zwischen rotbrauner und grauer Dachlandschaft. Auf diese sollte im Sinne ihrer Erhaltung bzw. Wiederherstellung unbedingt geachtet werden.

Die Stärke der Deckmaterialien#

In Bereichen mit Bauten, die überwiegend mit Ziegel oder Betondachsteinelementen gedeckt sind, sollten weiterhin diese Materialien verwendet werden. Asbestzementelemente sind sehr dünn und geben daher dem Dach der viel geringeren Schattenbildung wegen einen völlig anderen Charakter. Diese sollten eher dort eingesetzt werden, wo durch vorhandene dünne Materialien wie Schiefer und Holz oder bereits bestehende Asbestzementdächer eine entsprechende Dachlandschaft schon existiert.

Die Form der Deckelemente#

Die Elementformen sollten möglichst klein und so geformt sein, daß ihre Symmetrieachsen parallel zur Fallrichtung liegen. (Z. B. möglichst keine französische Asbestzement-Rhombus-Deckung! ) (Abb. 2)

Eigenschaften des Ziegels#

Bei der Wahl des Deckungsmaterials muß beachtet, werden, daß von den angebotenen Produkten, sieht man von Holz und Stroh ab, weil diese nur noch selten verwendet werden, nur noch der Ziegel die Fähigkeit hat, in hohem Maße Kondensfeuchtigkeit (Schwitzwasser), die bei Abkühlung beispielsweise in der Nacht an der Innenseite entstehen kann, durch seine hohe Saugfähigkeit aufzunehmen und bei Tag nach außen wieder abzugeben; gerade bei landwirtschaftlichen Gebäuden, aber auch für die Wirksamkeit von Isoliermaterialien bei Dachausbauten kann dies von Bedeutung' sein.

Die Stabilität des Dachstuhles#

Bei genauer Untersuchung erweisen sich die alten Dachstühle meist in einem besseren Zustand als vermutet. Oft müssen nur einige Dachlatten ausgetauscht werden.

Das Argument, daß für gewisse Dachstühle eine Ziegel- oder Betonsteindeckung zu schwer sei, und daher leichteres Material gewählt werden müsse, stimmt sicher nicht, da die statischen Sicherheiten für Wind- und Schneelasten ein Vielfaches der Gewichtsunterschiede der verschiedenen Deckungsmaterialien ausmachen. (Hinweis: Zum Schutz des Dachstuhlholzes soll daran erinnert werden, daß es unterschiedliche, teilweise auch kombinierte Mittel gegen die Gefährdung durch Insekten, Fäulnis und Schwammbefall gibt. Darüber hinaus werden Imprägierungsmittel zur Herabsetzung der Entflammbarkeit angeboten. Diese Mittel sind zum Teil giftig; es sollten daher vor ihrem Einsatz Fachleute konsultiert werden.

Abb. 3, 4, 5 - Skizze © Hasso Hohmann
Abb. 3, 4, 5 - Skizze © Hasso Hohmann

Dachraumausbauten#

Die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum unter dem Dach erfreut sich zunehmender Beliebtheit, insbesondere auch durch die vielerorts gegebenen Möglichkeiten der Beanspruchung von Förderungsmitteln. Im Zusammenhang mit solchen Dachraumausbauten entstehende überdimensionale, mitunter auch verschiedenformatige Dachgaupen, Dachflächenfenster oder Dachterrassen-Einschnitte, bei denen die Restdachfläche nur noch eine Alibifunktion hat, sind in der Regel als störend abzulehnen. Besonders auch Gaupenbänder, die eine quasi Gebäude-Aufstockung nur kaschieren sollen, sind hier als besonders häßlich hervorzuheben.


Öffnungen in der Dachfläche#

Dachgaupen oder kleinflächige Dachflächenfenster (Abb.3, 4, 5), die im Rhythmus der Fensterachsen oder meist besser noch im Rhythmus der Dachsparren mit einheitlichem Format in gleicher Höhe und in nicht zu großer Zahl zwischen den Sparren ohne Auswechslungen angeordnet werden, haben sich als gewöhnlich formal unproblematisch erwiesen. Terrassen-Einschnitte in Dächern können reizvoll gestaltet sein, bedürfen aber besonderer Qualitäten des Planers und sind nicht überall möglich.

Dachaufbauten#

Bauämter müssen besonders darauf achten, daß durch Genehmigung von Planungen, bei denen der gesamte Dachraum genutzt wird, als Folge Kehrstege auf dem Dach notwendig werden.

Kehrstege und andere Dachaufbauten wie Antennen, Sonnenkollektoren und Werbeträger wirken fast immer störend.

Werbung in den Dachflächen#

Auch Werbung in der Dachfläche, beispielsweise durch Verwendung verschiedenfarbiger Deckelemente, bedarf zumindest einer entsprechenden Gestaltung.

Sichtbarkeit der Dachlandschaft#

Besonders wichtig wird die Beachtung solcher Hinweise bei Dachlandschaften, die man nicht nur von Straßen und Plätzen aus, sondern von öffentlich zugänglichen, erhöhten Standpunkten als Ganzes wahrnehmen kann, also für Dächerensembles, die von zentral oder am Rande gelegenen, bekannten Geländeerhebungen wie beispielsweise vom Salzburger Pestungsfelsen oder vom Grazer Schloßberg, aber auch von viel bestiegenen Wahrzeichen wie dem Eiffelturm in Paris oder dem Münster in Ulm,von vielen Menschen gesehen werden.



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