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Wie kann man das Internet noch retten?#

Onlinekonzerne kontrollieren das weltweite Datennetz und geben die Regeln vor, was Politik und Wissenschaft dagegen tun können und warum Lobbying gefährlich und Regulierung gut ist.#


Von der Wiener Zeitung (14. März 2023) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Christa Hager / Gregor Kucera


Thomas Seifert moderierte die Runde (v.l.n.r): Petra Schaper-Rinkel, Professorin für Wissenschafts- und Technikforschung des digitalen Wandels, Karl-Franzens-Universität Graz, Stefan Woltran, TU-Wien Professor und Leiter des Forschungsbereichs 'Datenbanken und KI', Barbara Prainsack, Professorin am Politikwissenschafterin, Uni Wien.
Thomas Seifert moderierte die Runde (v.l.n.r): Petra Schaper-Rinkel, Professorin für Wissenschafts- und Technikforschung des digitalen Wandels, Karl-Franzens-Universität Graz, Stefan Woltran, TU-Wien Professor und Leiter des Forschungsbereichs "Datenbanken und KI", Barbara Prainsack, Professorin am Politikwissenschafterin, Uni Wien.
© Foto: WZ, Wolfgang Renner

In den 80er Jahren stand das Internet für Wissen, Freiheit und den digitalen Aufbruch, aktuell jedoch für Überwachung, Manipulation und Kommerz. Mit Künstlicher Intelligenz und Elon Musks Kontrollwahn kamen in jüngerer Vergangenheit weitere Herausforderungen hinzu. Hat der Dystopismus endgültig gesiegt oder kann man das Internet noch aus den Fängen der Datenkraken und des Kommerzwahns retten – und wenn ja, wie? Dieser Frage, sowie einigen anderen mehr, widmete sich die aktuelle Ausgabe der Reihe "Digitaler Humanismus - Transformation gestalten", einer Kooperation der Wienbibliothek im Rathaus, der Wiener Zeitung und der Universität für angewandte Kunst Wien.

Die Angst vor dem Konzern#

"Warum schreckt uns die Frage, Facebook oder TikTok zu verbieten?", fragte Stefan Woltran, Professor und Leiter des Forschungsbereichs "Datenbanken und Künstliche Intelligenz", sowie Co-Direktor des Centers for Artificial Intelligence and Machine Learning an der TU Wien. Die Frage zeige, wie wirkmächtig diese Tools sind, wie wichtig diese Plattformen geworden sind und welche Macht diese Konzerne haben. Sonst würde sich ein Staat auch nicht fürchten davor. Woltran sprach in dem Zusammenhang von "Techno-Feudalismus", da große IT-Unternehmen Infrastruktur, Gesetzgebung und politische Entscheidungen beeinflussen. Wie kann man in Europa dagegenwirken?

Die Frage von Regulierung habe immer auch etwas Negatives. Aber sie sei notwendig, betonte Petra Schaper Rinkel, Professorin für Wissenschafts- und Technikforschung des digitalen Wandels und Leiterin des IDea_Lab der Universität Graz. Wie schaffen wir es, eine Architektur zu schaffen, in der wir zwar Daten hergeben, diese aber uns gehören? Warum gibt es zum Beispiel kein eigenes Europäisches Bezahlsystem - aus dem europäischen Selbstverständnis heraus gebaut und dezentral? Warum nutzen alle Paypal? So wie große IT-Konzerne das kleine, nicht marktorientierte und sharing-basierte Internet der Anfangsjahre kopiert haben, warum kopieren wir in Europa nichts? "Nicht als Großkonzern, sondern so, dass man als Person seine Datenhoheit nicht verliert," sagte Schaper Rinkel.

Wer reguliert das Internet? Eine Suche ohne Ende
Weinbibliothek im Rathaus

Barbara Prainsack, Professorin am Institut für Politikwissenschaften und Leiterin der Forschungsplattform "Gouvernance of Digital Practices" an der Universität Wien, betonte: "Services brauchen öffentliche Investitionen, damit sie von nicht profitorientierten Organisationen betrieben werden. Das braucht Europa. Leider geht es nicht unbedingt in diese Richtung." Denn immer mehr würden öffentliche Akteure für öffentliche Dienstleistungen private Unternehmen beschäftigen. "Die können das, was Staaten nicht können." So gebe man Stück für Stück Autonomie und Kontrolle ab.

Datenkontrolle und Gemeinwohl#

Die Kontrolle über die Daten zurückholen, sei ein wesentlicher Schritt, um das Internet wieder in Richtung Menschheit zu drehen, so die Diskutanten. Ebenso eine so genannte Datentransaktionsteuer, die die Online-Giganten zur Kasse bittet. "Digitalisierung trägt massiv zu den weltweiten Ungleichheiten bei. Global und innerhalb der Staaten. Datenschutz ist Luxusgut. Individuen müssen für Daten bezahlt werden", meint Barbara Prainsack. Eine große Gefahr liege auch im Lobbyismus der Onlinegiganten. Hier müssen wesentliche Änderungen erfolgen.

"Wie schaffen wir es in Europa, dass nicht einige wenige Netzwerkunternehmen ihren Markt dominieren und das Geld aus Europa abfließt. Wir müssen es schaffen diese Wertschöpfung durch Daten so zu regulieren, dass die Datentransfers diesen Wert wirklich widerspiegeln", sagte Schaper Rinkel. "Bei Hatespeech sind wir ja erst am Anfang. Was passiert, wenn zwei algorithmische Systeme gegeneinander arbeiten und sich manipulieren? Offener Zugang und offene Systeme sind notwendig, Dinge mit denen alle experimentieren können", so Schaper Rinkel. Und dazu müsste auch das nötige Investment in Europa getätigt werden.

"Wir müssen daraus lernen, was mit Social Media passiert ist. Was für einen Einfluss sie haben, wir waren zu spät und er wurde unterschätzt. Vor 10 Jahren fehlte ein Verständnis wie dieses Business funktioniert. Ich finde, bei den Chancen wird das Gemeinwohl oft vergessen, es gibt so viele Chancen. Mein Wunsch die Gefahren bedenkt, sondern die Chancen fürs Gemeinwohl", so Stefan Woltran abschließend.

Wiener Zeitung, 14. März 2023