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12 Fragen an Manfried Welan#


Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus GAIA (2/2013)


Welches sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Umweltprobleme?#

Drängend sind vor allem die hohen Treibhausgasemissionen, die unseren Planeten erwärmen, die Endlichkeit der Ressourcen Wald und Wasser sowie das Abfallproblem. Ich sehe auch die immense Gefahr, die von Atombomben und Atomkraftwerken ausgeht, inklusive der Verseuchungen durch Atommüll im Meer – das ist Tschernobyl auf Raten und in Zeitlupe. Grundsätzlich sind Umweltprobleme Bildungs- und Demokratieprobleme, sie müssen entsprechend von Bildungsinstitutionen auf allen Ebenen und der Politik angegangen werden. Es geht nicht nur um Wissen und Technik, sondern um Verantwortung und Ethik; es geht nicht nur ums Überleben, sondern um ein gutes Leben in Würde.

Was gibt Ihnen Hoffnung auf eine Verbesserung der Umweltsituation?#

In meiner Jugend lebten auf der Erde zwei, jetzt sind es bald acht Milliarden Menschen – die meisten in Städten. Das verlangt eine völlig neue (Landschafts-)Architektur: Der ländliche Raum muss seine ökologischen Funktionen stärken, der städtische benötigt mehr Natur. Ich glaube, dass uns das gelingen kann, weil das Problembewusstsein der Menschen weltweit steigt. Katastrophen und Krankheiten tragen sicher dazu bei. Das Bewusstsein des „großen Verlusts“ an Umwelt und Schönheit kann die Hoffnung auf die Zukunft groß werden lassen und eine neue Lebensführung bewirken. Wir lernen aus unseren Fehlern und deshalb ist ein realistischer Optimismus berechtigt.

Welche umweltpolitische Reform bewundern Sie am meisten?#

Ich halte die 1992 beim Erdgipfel von Rio de Janeiro verabschiedete Biodiversitätskonvention und Natura 2000, ein Netz von Schutzgebieten, das in der EU errichtet wird, für gelungene umweltpolitische Maßnahmen. Ich bewundere aber auch Einzelinitiativen wie originelle Energieerzeugung und -einsparungen, individuelle Müllvermeidung und -verwertung oder urban gardening.

Welchen Trend in der Umweltpolitik halten Sie für eine Fehlentwicklung?#

Die globale und totale Verrechtlichung, also die Überreglementierung, ist ein Horror. Die Regionen der Erde sollen lieber in einem großen Rahmen autonom und lokal Umwelt schützen und pflegen.

Wenn Sie für ein Jahr Weltumweltminister wären: Was würden Sie tun?#

Oh, da hätte ich einiges zu tun, zum Beispiel Umweltnachrichten zur Lage der Welt zu senden oder für die Umweltbildung vom Kindergarten bis zur Hochschule zu sorgen. Und ich würde die ökologische Land- und Forstwirtschaft sowie die ökosoziale Marktwirtschaft vorantreiben.

Wozu Umweltforschung?#

Wir brauchen mehr und besseres Wissen über die Umwelt für alle. Die Menschen müssen lernen, mit den natürlichen Ressourcen sparsam und nachhaltig umzugehen und Partner der Natur zu sein.

Welchen Bereich der Umweltwissenschaften außerhalb Ihres eigenen Arbeitsgebiets finden Sie besonders spannend?#

Mich reizen die Nanobiotechnologie und die synthetische Biologie. Aber auch Landschaftsökologie und biologische Landwirtschaft interessieren mich sehr.

Wer oder was hat Sie in Ihrem Engagement für die Umwelt besonders geprägt?#

Mein Vater war Biologe und hat mich an die Natur herange - führt, meine Lehrer(innen) haben mein Interesse an Naturgeschichte geweckt. Carl Amerys Natur als Politik und Hans Jonas’ Das Prinzip Verantwortung waren die ökologische Aufklärung für mich und machten mich zum Umweltpolitiker und grünen Rektor. Alte Professoren der Universität für Bodenkultur Wien postulierten „Bildung durch Ökologie“ – und dieses Postulat habe ich übernommen. Die Studierenden brachten der Uni die vor - wärts drängende Energie der grünen Bewegung und ich konnte mich als Rektor darauf verlassen.

Wie erklären Sie Kindern, warum Sie das tun, was Sie tun?#

Um die Zukunft zu sichern, muss jeder in seinem Bereich die Umwelt schützen. Das beginnt im Kleinen und im Alltagsleben.

Welches Wissen würden Sie jungen Menschen über die#

Umwelt mitgeben wollen? Es muss ihnen bewusst gemacht werden, dass unsere natürlichen Ressourcen knapp und endlich sind. Wir leben in einer Partnerschaft mit der Natur – deshalb müssen junge Menschen auch die Vielseitigkeit der Biologie erfahren. Und sie müssen lernen, Ökologie mit Demokratie zusammenzudenken.

Was lesen Sie gerade?#

Jan-Werner Müller, Das demokratische Zeitalter. Demokratie ist ihm zufolge „institutionelle Ungewissheit“ – gerade das verlangt ununterbrochene Weiterentwicklung ihrer Institutionen und eine unentwegte Diskussion unserer Zukünfte. Und Robert Jungks Sonnenbuch, das Hoffnung macht.

Welche hier nicht gestellte Frage ist für Sie die wichtigste?#

Die Frage, wie die „Antiquiertheit des Menschen“ (Günther Anders, 2002) überwunden werden kann, treibt mich um. Die Thesen, die Anders in dem gleichnamigen Buch aufstellt, sind nach wie vor aktuell: dass wir der Perfektion unserer Produkte nicht gewachsen sind, dass wir mehr herstellen, als wir verantworten können, und dass wir glauben, das, was wir können, auch zu dürfen, nein: zu sollen, nein: zu müssen.

Lilli Lička, Professorin für Landschaftsarchitektur und Leiterin des Instituts für Landschaftsarchitektur der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) charakterisiert Welan so :

Manfried Welan ist vorurteilsfreier Humanist. Er tritt Personen, Fragen und Themen mit erfrischender, fast radikaler Unvoreingenommenheit entgegen, was ihm eine große Zahl an Gefolgsleuten in verschiedenen politischen Lagern und sehr unterschiedlichen Fachgebieten beschert – und naturgemäß auch Skeptiker.

Von Berufs wegen hätte der brillante Denker, Rechtswissenschaftler, Politiker und Politologe, Universitätsrektor und Professor sicherlich auch anders Erfolg haben können. Er war von 1968 bis 2005 Professor für Rechtslehre und abwechselnd Prorektor, Vizerektor und Rektor der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Seinen Anspruch, einer naturwissenschaftlich-technischen Universität auch eine humanwissenschaftliche Basis zu geben, hat er konsequent verfolgt.

Und er hat dem engen Fokus der Universität auf die produktive Funktion von Landschaft jenen auf Ökologie und Ästhetik hinzugefügt. In seiner Zeit als Rektor machte sich Welan dafür stark, das Studi - um der heutigen Landschaftsplanung und -architektur einzuführen: 1981, zu einem Zeitpunkt, als der Erfolg dieses Fachgebiets in Forschung, Lehre und vor allem beruflicher Praxis in Österreich noch nicht vorhersehbar war, startete der Vorläufer des heutigen Studienprogramms.

Die Ästhetik des Objekts Landschaft, mit dem sich die traditionellen Gebiete der BOKU befasst hatten, schien ihm wichtig genug, um ein analytisches und gestalterisches Fach einzurichten.

Denn seine Auseinandersetzung mit dem Wesen der Dinge geht in seiner Tiefe weit über die tagespolitische Diskussion hinaus – wer sonst hat Simon Schamas Landscape and Memory gelesen, der oder die nicht zu Landschaft forscht?

Manfried Welan beruft sich bei seinem Handeln auf das Verständnis realer Umsetzbarkeit – dafür nutzen ihm seine Kontakte in Politik und Gesellschaft. Damit komplexe Gegebenheiten, wie sie sich in der Landschaft niederschlagen, zukunftsträchtig beeinflusst werden können, stellt er an sich und andere den Anspruch, sich profund und holistisch auseinander zu setzen: So regte er soziologische und ökologische, historische, natürlich auch rechtliche Diskussions- und Lehrthemen an. Er hält die Umweltproblematik für eine Bewusstseins- und daher für eine Bildungsfrage.

Welan hatte mehrere leitende Funktionen in Umweltorganisationen inne, etwa in der Österreichischen Gesellschaft für Ökologie und in der Österreichischen Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz. Er sieht die Bedeutung der Umwelt nicht als wilder Naturbursch, sondern in intellektueller und romantischer Verbindung zur Landschaft als Naturraum ebenso wie als Produkt von Politik und Gesellschaft. Diesen Anspruch löst er in vielen Publikationen zu Staat, Recht, Poli - tik, Universität und Umwelt ein. Kennzeichnend für seine fachoffene Haltung und die umfassende gesellschaftspolitische Betrachtung ist die Aussage des juristischen Politologen in ihm, dass das Problem der Umweltpolitik in ihrer übertriebenen Verrechtlichung liege.

GAIA (2/2013)


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