Ich druck’ mir meine Welt...#
...so wie sie mir gefällt. Experten diskutierten Perspektiven für den 3D- Druck bei einer Konferenz in Wien#
Von der Wiener Zeitung (Sa./So., 29./30. März 2014) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Eva Stanzl
Wien. "Der 3D-Druck ist vermutlich so bedeutend wie die Erfindung der Dampflok oder der Elektrizität. Wir werden keine Objekte mehr bauen, sondern die Anleitungen dafür im Internet kaufen und sie dann daheim ausdrucken", erklärt Stefan Rozporka von Ars Electronica Solutions, eine Abteilung des Linzer Festivals. Er steht vor einem Gerät, das komische Geräusche macht und Objekte in einem Tempo erzeugt, welches Ungeduldige als die neue Entdeckung der Langsamkeit bezeichnen würden. Für Rozporka ist der 3D-Druck die Industrierevolution 2.0. Wenn dreidimensionale Objekte nicht mehr zusammengebaut werden müssen, sondern aus dem Drucker kommen, würde sich auch irgendwann die Industrieproduktion von der Fabrik nach Hause verlagern, meint er. Dass man dabei alles selbst machen muss, stört ihn nicht.
Bei der Konferenz "Print3Dfuture" am Donnerstag in Wien präsentierten Fachleute vor rund 400 Gästen Perspektiven für den 3D-Druck. "Wir können heute Dinge in zwei Tagen herstellen, für die wir früher zwei Monate gebraucht haben", erklärte Cathy Lewis, Marketingdirektorin der kalifornischen Firma 3D Systems. Der Gründer des Unternehmens, Chuck Hull, hat die Technologie vor 31 Jahren erfunden. Heute beschäftigt seine Firma weltweit mehr als 1000 Mitarbeiter und notiert an der New Yorker Börse. Der Umsatz hat sich in den letzten fünf Jahren vervierfacht und der Wert der Aktie ist um ein Vielfaches gestiegen. Weltweit vertreiben 438 Händler die Drucker von 3D Systems, die laut Unternehmenshomepage "den Kunden ermöglichent, die Zukunft zu erzeugen".
Der Gärtner als Gartenzwerg#
Wie sieht diese Zukunft aus? Cathy Lewis präsentierte ein buntes Spektrum an Visionen. Mit der Technologie, die ursprünglich für die Autoindustrie erfunden wurde, könne man praktisch alles drucken - entsprechende Weiterentwicklungen vorausgesetzt sogar Flugzeugteile oder eine Stradivari. Auch unsichtbare Zahnspangen, Zahnfüllungen, Prothesen und künstliche Gelenke zählen zu den Anwendungen, ebenso wie die unterschiedlichsten Alltagsgegenstände. So können Kinder im Internet ihre eigenen Puppen entwerfen, der Ausdruck wird zugeschickt. Modelabels präsentieren gedruckte Schuhe für jedes Fußbett und Kleidung mit neuen stofflichen Strukturen. Auch die Nahrungsmittelindustrie gibt sich erfinderisch - mit Zuckerskulpturen nach Wunsch oder kleinen, feinen Pralinen. Und manche US-Bürger drucken sich sogar ihre eigenen Schießgewehre aus.
Wer will, kann sich auch komplett mit rotem Jäckchen und Mütze als Zwerg im eigenen Garten verewigen. Oder sich als Briefbeschwerer ein Denkmal setzen. So hat die Wiener Firma Virtu Make vergangenen Mittwoch bei der Eröffnung des Wiener Schauraums von Vitra Design Vernissagenbesucher für den 3D-Drucker gescannt. Wer will, kann sich selbst bestellen und als Statuette auf den Schreibtisch stellen. "Wir können Personen innerhalb eines Wimpernschlags 3D-scannen", verspricht Bernhard Mayrhofer von Virtu Make. Laut Cathy Lewis tragen die neuen Möglichkeiten "der zunehmenden Individualisierung Rechnung". Kaum auszudenken die Anwendungen: "Archive" von pensionierten Mitarbeitern in Unternehmen zum Beispiel werden so richtig greifbar.
Schon schwieriger umzusetzen sind Organe aus dem Drucker. Die Vision ist, dass sie irgendwann eine Alternative bieten zu Spenderorganen, von denen es wenige gibt. Herangezüchtet aus eigenen Zellen, würden sie nicht abgestoßen. Noch kommt die Wissenschaft allerdings kaum über Zellhaufen hinaus. Von einem funktionstüchtigen Organ aus Stammzellen wurde noch nicht berichtet. "Handelsübliche Geräte können noch keinen Bio-Druck durchführen", sagt Hartmut Schwandt, Leiter des 3D Labors an der Technischen Universität Berlin: "Derzeit kombinieren wir daher künstliches und biologisches Material." Der Forscher und sein Team arbeiten an biologischen Herzklappen, die Gerüste umwachsen sollen. Das Organ wird gescannt und ein Gerüst in der passenden Herzklappenform aus einem speziellen Material gedruckt. Zellgewebe soll sich dann dieses Gerüst entlangranken. Nach der Transplantation soll der Körper das künstliche Gewebe resorbieren und die darauf entstandene, organische Herzklappe ihre Arbeit tun. Getestet wu rde eine solche Klappe allerdings noch nicht.
Jedi-Ritter, Handyhüllen#
Zudem machten es einem die Exponate der 15 Aussteller auf der 3D-Druckkonferenz mehr als ein bisschen schwer, sich auf die schöne neue Welt aus dem Printer einzulassen. Zu sehen waren in erster Linie Geräte, die bunte Kunststofffäden, manche so kurz wie Lakritzstangen und andere lang und auf Spulen, zu eher banalen Objekten verarbeiteten. Auf den ersten Blick ist es zwar faszinierend, dem Printer dabei zuzusehen, wie er eine dünne, zweidimensionale Schicht auf die andere legt, sodass ein dreidimensionales Objekt erwächst, doch die Gegenstände erinnerten an Spielzeuge aus Kinder-Überraschungseiern in schlechterer Qualität.
Kleine Roboter, Mini-Jedi-Ritter, Handyhüllen wie immer und ein paar Oktopusse, Muscheln und Quallen fanden sich neben Verkaufspersonal im Kleinformat, alle aus Kunststoff. Im Unterschied zu den meisten anderen Plastikgegenständen waren die Exponate aber nicht hohl, sondern voll, und vor allem rau anzugreifen. Wenn der im 3D-Druck vielverwendete, wiederverwertbare spezielle Kunststoff namens PVA schichtweise aufgebaut wird, kommt das Gegenteil von einem Handschmeichler dabei heraus. Auch der Anblick einer Designer-Vase ist nur halb so schön, wenn das Material nicht stimmt.
Einzig die niederländische Schmuckdesignerin Ineke Otte präsentierte perfekt glatte, sich fast samtig anfühlende Halsketten. "Das ist Nylon, und der Drucker, auf dem ich sie machen lasse, gehört einer Firma, die eine Million Dollar dafür bezahlt hat", erläuterte sie, einen Ring mit Katzenkopf auf dem Finger, gedruckt in Yves-Klein-Blau.
Nur teure Geräte sind also top. Trotzdem vermittelt die Branche eine Stimmung, als würden sich alle die Ärmel hochkrempeln, um eine neue Welt zu erschaffen - oder die alte zumindest um eine Parallelwelt anzureichern. "Stellen Sie sich vor, jeder kann alles herstellen", sagt Adrian Bowyer, Gründer von Rep Rap Projects. Der Brite hat einen Drucker erfunden, der sich selbst kopieren kann: Das Gerät kann einen Klon von sich drucken. Und wenn ein Teil kaputt geht, ist er schnell ersetzt. Somit wird keine Printer-Fabrik mehr gebraucht: Wer einen Drucker will, druckt sich einen.
Die Produktion zu Hause#
Geht es nach Bowyer, soll künftig jeder ein solches Gerät zu Hause haben. Dann könnte er alles anfertigen - Kochtöpfe aus Metall, Geschirr aus Porzellan, Taschen aus Kunststoff und Schuhe aus Milchpackungen. Wächst die Tochter aus den Schuhen heraus, werden sie im Drucker verschmolzen und mit einer zusätzlichen Milchpackung zu um eine Nummer größeren Böcken verarbeitet.
"Ist der Hype gerechtfertigt?", fragt sich Bowyer. "Wir werden es erst in 20 Jahren wissen. Als in den 1970er Jahren der Mikroprozessor erfunden wurde, hat man sich auch gefragt, ob er die Gesellschaft verändern wird - völlig zu Recht. Virtual Reality (eine elektronische Brille, durch die man sich selbst in vom Computer geschaffenen Welten erlebt, Anm.) ist dagegen wieder verschwunden. Ich halte den 3D-Druck für eine Erfindung vom Kaliber des Mikroprozessors, weil damit so viel erzeugt werden kann." Mit genug Speicherkapazität und Material könnten sogar ganze Fabriksgebäude gedruckt werden - sollte man sie dann wider Erwarten doch noch brauchen. Immerhin: Selbst der Mont Blanc sei bereits gescannt, berichtet Bernhard Mayrhofer stolz.
Unternehmensberater Petri Vasara ist skeptischer: "Wollen wir wirklich kiloweise Bioplastik daheim haben, um als Rohstofflager und Lieferant unserer eigenen Güter zu agieren? Es fehlt die richtige Mischung zwischen Skepsis und Realismus." Als Direktor von Pöyry Management Consulting in Wien berät Vasara ressourcenintensive Industrien. Ihm zufolge müsste vor allem Biomasse das Rohmaterial Kunststoff ersetzen, wenn der 3D-Druck durchstarten soll. Sonst würden die Plastikmüllberge ins Unermessliche wachsen. Mit dem idealen Material könnten jedoch Unternehmen völlig neue Geschäftsschienen aufbauen. So könnte die Möbelfirma Ikea einfach nur ihre Designs, im Internet mit lustigen schwedischen Namen versehen, komplett mit Drucker-Programmiercodes für die Eigenproduktion anbieten. "Wirklich interessant ist die Design-Freiheit des 3D-Drucks. In der Medizintechnik macht sich das bereits bewährt", sagt Michael Stampfl von der TU Wien, dessen Abteilung jüngst ein gedruckter Unterkiefer gelungen ist: "Nu n müssen wir die Technologie so weit kriegen, dass sie mit der konventionellen Fertigung mithalten kann. Derzeit ist sie nämlich weder beim Material noch bei der Wirtschaftlichkeit konkurrenzfähig."