Seite - 224 - in Künstliche Intelligenz - Technologie | Anwendung | Gesellschaft
Bild der Seite - 224 -
Text der Seite - 224 -
224 C Gesellschaft
Polarisierungsthese
Um die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt näher zu beleuchten, hilft ein
Blick in die Wissenschaft. Eine von führenden Ökonomen vielfach vertretene These
lautet, dass der technologische Wandel und die Digitalisierung zu einer Polarisierung
des Arbeitsmarktes führen (Autor 2015; Dustmann et al. 2009; Goos et al. 2009;
Spitz-Oener 2006). Demnach ist die Beschäftigung für Arbeiter in Berufen mit mitt-
lerem Qualifikationsniveau relativ zur Beschäftigung von Arbeitskräften in Berufen
mit niedrigem oder hohem Qualifikationsniveau in den letzten Jahrzehnten zurück-
gegangen – eine Entwicklung, die sich auch mit Blick in die Zukunft fortsetzen soll.
Begründet wird dieses Phänomen mit dem zunehmenden Einsatz digitaler Technolo-
gien, die vorwiegend kognitiv und manuell repetitive und regelbasierte Aufgaben
automatisieren bzw. übernehmen. Da der Anteil an Routineaufgaben in Berufen des
mittleren Qualifikationsniveaus besonders groß war, sank entsprechend die Nach-
frage nach Arbeitskräften auf diesen Gebieten, während Beschäftigte der niedrige-
ren oder höheren Qualifikationsgruppen von einem steigenden Bedarf zur Erfüllung
von nichtroutinemäßig ausführbaren manuellen und komplexen Aufgaben profitier-
ten. Zuletzt haben Wissenschaftler der Organisation für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (OECD) gezeigt, dass die Polarisierung des Arbeitsmarkts in
allen beobachteten OECD-Staaten in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen hat
(OECD 2016). Dabei ist zu beachten, dass mit der Polarisierungsthese qualifikations-
bezogene Verschiebungen am Arbeitsmarkt beschrieben werden, sich daraus aber
nicht zwangsläufig Arbeitsplatzverluste ergeben. So ist in Deutschland trotz der rela-
tiven Veränderung der Beschäftigung in Berufen mit unterschiedlichen Qualifikati-
onsniveaus der Arbeitsmarkt insgesamt stabil geblieben; Arbeiter und Angestellte
konnten also in anderen Professionen beschäftigt werden. Somit ergibt sich aus der
Polarisierungshypothese die Frage, mit welchen Anpassungsprozessen Beschäftigte
trotz einer zunehmenden Technisierung langfristig Anstellungen finden konnten. Das
denkbare Spektrum ist breit und reicht von einer möglichen Dequalifizierung bis hin
zum technologiegestütztem Upgrading (Hirsch-Kreinsen 2016).
Wendet man sich den spezifischen Auswirkungen von KI zu, so ist im Hinblick auf die
Polarisierungsthese ein Paradigmenwechsel denkbar. Nach einer Phase der Automa-
tisierung, bei der Maschinen vor allem manuelle physische Routineaufgaben über-
nahmen, konnten durch die anschließende Computerisierung auch kognitive Routi-
netätigkeiten ersetzt werden, wobei dafür in den letzten Jahren zunehmend KI-
Anwendungen herangezogen wurden. Von einer Substitution waren somit Berufe
mit mittlerem Qualifikationsniveau betroffen, während in Berufen mit hohem Quali-
fikationsniveau digitale Technologien komplementär zum Einsatz kamen. Dies könnte
sich in Zukunft jedoch ändern. So geben derzeitige KI-Anwendungen einen Ausblick
darauf, wie die Technologie mehr und mehr in analytische und interaktive Arbeitsbe-
reiche drängt, bei denen es darauf ankommt, komplexe Sachverhalte zu erfassen
Künstliche Intelligenz
Technologie | Anwendung | Gesellschaft
- Titel
- Künstliche Intelligenz
- Untertitel
- Technologie | Anwendung | Gesellschaft
- Herausgeber
- Volker Wittpahl
- Verlag
- Springer Vieweg
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-58042-4
- Abmessungen
- 16.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 286
- Schlagwörter
- Elektrische Antriebssysteme, Intelligentes Gesamtmaschinenmanagement, Künstliche Intelligenz, Data Mining, Maschinelles Lernen, Deep Learning, artificial intelligence, data mining, machine learning, deep learning
- Kategorie
- Technik
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Inhaltsverzeichnis 15
- A Technologie 18
- B Anwendung 92
- Einleitung: KI ohne Grenzen? 95
- 5. Neue Möglichkeiten für die Servicerobotik durch KI 99
- 6. E-Governance: Digitalisierung und KI in der öffentlichen Verwaltung 122
- 7. Learning Analytics an Hochschulen 142
- 8. Perspektiven der KI in der Medizin 161
- 9. Die Rolle der KI beim automatisierten Fahren 176
- 10. Maschinelle Übersetzung 194
- C Gesellschaft 212
- Ausblick 273
- Anhang 277
- Autorinnen und Autoren 277
- Abkürzungsverzeichnis 286