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246 C Gesellschaft
Welche Effekte KI auf die Bildung und Entfaltung von Identität hat, ist keine neue
Frage. Bereits 1984 untersuchte Sherry Turkle aus mikro-soziologischer Perspektive
die Wirkung der Auseinandersetzung mit KI auf die Persönlichkeitsentfaltung von
Wissenschaftlern (Turkle 1984). Sie stellte fest, dass KI häufig zu einem „evozieren-
den Objekt“ wird, anhand dessen Menschen sich selbst und ihr Wesen hinterfragen.
Intelligenz künstlich zu produzieren bzw. zu simulieren knüpft sich unter diesen
Annahmen an die Frage, was Intelligenz denn eigentlich ist und welche Aspekte
davon uns zum Menschen machen.
Diese Auseinandersetzung ist nicht allein akademischer Natur, sondern ein häufiges
Motiv in Literatur und Film für ein großes Publikum. Dass etwa die Unterscheidbar-
keit von Mensch und Maschine zu einer gesellschaftlichen und exekutiven Herausfor-
derung werden kann, war bereits im Jahr 1962 der Plot in Philip K. Dicks Roman
„Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, den der Regisseur Ridley Scott
zuerst 1982 in „Blade Runner“ und fortgesetzt 2017 in „Blade Runner 2049“ sehr
erfolgreich inszenierte. Es gelang, das enorme Spannungsfeld zwischen KI und Men-
schen eindrücklich darzustellen. Die Auswirkungen der emotionalen Bindung eines
Menschen zu einer KI ist wiederum Thema im Film „Her“. Und was passieren kann,
wenn die Maschine vom Werkzeug zum Partner mit Intention und Persönlichkeits-
merkmalen wird, zeigt der Spielfilm „Ex Machina“. Das dort dargestellte manipula-
tive Wesen der Maschine ist jedoch nicht vorprogrammiert, sondern Resultat und
Reflex auf Informationen, mit der die KI durch Online-Suchanfragen gefüttert wird.
Die ethische Diskussion über das Verhältnis von Mensch und KI ist also auch Teil
populärer Kultur, die so auch Reflexion beinhaltet. Dennoch ist der ethische Gehalt
der Science Fiction begrenzt, denn sie liefert wenig Orientierung für das praktische
Handeln. Die praktische Relevanz der Reflexion wird jedoch in zwei Dimensionen der
Identitätsbildung ersichtlich: einer materiellen und einer sozialen.
Die materielle Dimension der Identität betrifft die Art, wie Menschen durch den
Umgang mit Dingen ihre Persönlichkeit finden und ausdrücken. Der Anthropologe
Daniel Miller versteht Identität und Materialität als zwei zusammengehörige Ele-
mente: Erst durch Interaktion mit der materiellen Welt finden Menschen heraus, wer
sie sind, was sie gestalten können und wo ihre Grenzen liegen (Miller 2014). Aus
dieser Perspektive entstehen kulturelle Typen, wie z. B. Sari tragende Frauen, erst im
Zusammenspiel von sozialen Werten und materiellen Dingen, in diesem Fall einem
leichten Stoff, der verhüllt und gleichzeitig sanft fällt. Dieses Prinzip führen Men-
schen online in sozialen Netzen fort, wenn sie sich mit Fotografien inszenieren. KI
jedoch beginnt, Identität zu entmaterialisieren, indem sie repräsentierte Gegen-
stände auf ihren informatorischen Gehalt reduziert – Haptik, Ecken, Kanten und
Gebrauchsspuren kennt die KI nicht. Jedoch sind es gerade diese materiellen Spuren
und Eigenarten, die aus profanen Dingen persönliche Gegenstände machen und
Künstliche Intelligenz
Technologie | Anwendung | Gesellschaft
- Titel
- Künstliche Intelligenz
- Untertitel
- Technologie | Anwendung | Gesellschaft
- Herausgeber
- Volker Wittpahl
- Verlag
- Springer Vieweg
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-662-58042-4
- Abmessungen
- 16.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 286
- Schlagwörter
- Elektrische Antriebssysteme, Intelligentes Gesamtmaschinenmanagement, Künstliche Intelligenz, Data Mining, Maschinelles Lernen, Deep Learning, artificial intelligence, data mining, machine learning, deep learning
- Kategorie
- Technik
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Inhaltsverzeichnis 15
- A Technologie 18
- B Anwendung 92
- Einleitung: KI ohne Grenzen? 95
- 5. Neue Möglichkeiten für die Servicerobotik durch KI 99
- 6. E-Governance: Digitalisierung und KI in der öffentlichen Verwaltung 122
- 7. Learning Analytics an Hochschulen 142
- 8. Perspektiven der KI in der Medizin 161
- 9. Die Rolle der KI beim automatisierten Fahren 176
- 10. Maschinelle Übersetzung 194
- C Gesellschaft 212
- Ausblick 273
- Anhang 277
- Autorinnen und Autoren 277
- Abkürzungsverzeichnis 286