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38 Bildung überdenken • ein globales Gemeingut?
Ein integrierter Ansatz auf einem soliden ethisch-moralischen
Fundament
Es ist somit klar, dass es für ein lebenslanges Lernen im Dienste der sozialen, wirt-
schaftlichen und kulturellen Entwicklung eines humanistischen Ansatzes bedarf.
Selbstverständlich kann sich die Gewichtung einzelner Dimensionen in verschiedenen
Lernsettings und verschiedenen Lebensabschnitten ändern. Wenn aber die Wichtigkeit
des lebenslangen Lernens als Organisationsprinzip der Bildung betont werden soll,
dann müssen die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Dimensionen einbezogen
werden.53 Ein humanistischer Bildungsansatz geht über die Vorstellung von einem
wissen schaftlichen Humanismus hinaus, wie er vom
ersten Generaldirektor der UNESCO, Julian Huxley, als
Leitprinzip für die UNESCO vertreten und im Faure-Be-
richt von 1972 wieder aufgegriffen wurde.54 Wie bereits
erwähnt, hat der Begriff Hu manismus zu verschiedenen,
oft widersprüchlichen Interpretationen Anlass gegeben. Sie
alle werfen fundamentale moralische und ethische Fragen
auf, die eindeutig in den Bereich der Bildung fallen. Es lässt
sich argumentieren, die Würde, Fähigkeit und Wohlfahrt
des Menschen in seinem Verhältnis zu anderen Menschen
und zur Natur sicherzustellen und zu verbessern, solle
der fundamentale Zweck von Bildung im 21. Jahrhundert
sein.55 Zu den humanistischen Werten, die als Grundlage
und Zweck von Bildung dienen sollten, gehören: der
Respekt vor dem Leben und vor der menschlichen Würde,
Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit, kulturelle
und soziale Vielfalt sowie ein Sinn für menschliche Solidarität und für die geteilte
Verantwortung für un sere gemeinsame Zukunft. Es braucht einen dialogischen
Lernansatz, wie ihn beispielsweise Martin Buber56 und Paulo Freire57 vertreten haben.
Auch müssen wir solche Lernsysteme ablehnen, die den Einzelnen entfremden und
ihn als Ware behandeln; das Gleiche gilt für soziale Praktiken, die die Menschen spalten
und ent menschlichen. Wenn wir Nachhaltigkeit und Frieden erreichen wollen, müssen
wir die entsprechenden Werte und Grundsätze dringend vermitteln.
53 Zu beachten ist, dass das vorgeschlagene Ziel einer bildungsbezogenen nachhaltigen Entwicklung nach
2015 mit Bedingungen eines lebenslangen Lernens verbunden wird: «Ensure inclusive and equitable
quality education and promote lifelong learning opportunities for all». https://sustainabledevelopment.
un.org/content/documents/1579SDGs%20Proposal.pdf.
54 Siehe Huxley, J. 1946. UNESCO: Its purpose and philosophy. Paris, UNESCO Preparatory Commission;
und die neuliche Bezugnahme darauf in Haddad, G. und Aubin, J. P. 2013. Toward a humanism of
knowledge, action and cooperation. International Review of Education, Jg. 59, Nr. 3, S. 331–341.
55 Siehe z. B. die Sammlung von Beiträgen in ‘On Dignity’, Diogenes, August 2007, Nol. 54, Nr. 3, http://dio.
sagepub.com/content/54/3.toc#content-block [Abfrage Februar 2015].
56 Morgan, W. J. und Guilherme, A. 2014. Buber and Education: Dialogue as conflict resolution. London,
Routledge.
57 Siehe z. B. Roberts, P. 2000. Education, Literacy, and Humanization: Exploring the work of Paulo Freire.
Westport, CT and London, Bergin and Garvey.
Die Würde, Fähigkeit
und Wohlfahrt des
Menschen in seinem
Verhältnis zu anderen
Menschen und zur
Natur sicherzustellen
und zu verbessern,
solle der fundamentale
Zweck von Bildung im
21. Jahrhundert sein.
Bildung überdenken
Ein globales Gemeingut?
- Titel
- Bildung überdenken
- Untertitel
- Ein globales Gemeingut?
- Herausgeber
- Schweizerische UNESCO-Kommission
- Deutsche UNESCO-Kommission
- Österreichische UNESCO-Kommission
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-033-05613-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 96
- Kategorie
- Geisteswissenschaften