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Bildung als Gemeingut?
Trotz der spezifischen rechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit den ver-
schiedenen Vorgaben zum Recht auf Bildung, hat sich die Diskussion über das Recht
auf Bildung bis vor Kurzem grösstenteils auf das Schulwesen konzentriert, noch ge-
nau er auf das Grundschulwesen. Die Idee von einer Grundbildung, wie sie 1990 am
Weltbildungsforum (World Education Forum, WEF) in Jomtien, Thailand, festgehalten
wurde, war breit abgestützt. Sie umfasste sowohl die grundlegenden Lernhilfsmittel
wie Lesen, Schreiben und Rechnen, als auch kontextbezogenes Grundwissen, Fertig-
keiten und Werte. Wenn von formaler Bildung die Rede ist, wird Grundbildung meistens
mit allgemeiner Schulpflicht gleichgesetzt. Die allermeisten Länder weltweit verfügen
über nationale Gesetze, in denen die Dauer der Schulpflicht festgeschrieben ist. Aus
dieser Sicht ist das Prinzip des Rechts auf Grundbildung unbestritten; ebenso die Rolle
des Staates, wenn es darum geht, dieses Prinzip zu schützen und Chancengleichheit
zu gewährleisten.
Während diese Prinzipien auf der Ebene der Grundbildung relativ unbestritten sind,
besteht jedoch kein allgemeiner Konsens über deren Anwendung auf höhere Bil-
dungsniveaus.135 Der verbesserte Zugang zur Grundbildung hat auch zu einer steigenden
Nachfrage nach Sekundar- und Hochschulbildung geführt und zu einer zunehmenden
Bedeutung der Entwicklung von Berufskompetenzen – insbesondere im Kontext der
steigenden Jugendarbeitslosigkeit. Auch ein ständiger Prozess der Qualifikation und
Requalifikation ist wichtig geworden. Wie sollen angesichts der steigenden Nachfrage
nach höherer Bildung und nach einem lebenslangen Lernen die Prinzipien des Rechts
auf Bildung verstanden und angewendet werden? Wie unterscheidet sich dieses Recht
vom Recht auf den (obligatorischen) Schulunterricht in Bezug auf die Ansprüche der-
jenigen, die die Rechte einfordern, und in Bezug auf die Verantwortlichkeiten derer, die
die Pflichten zu erfüllen haben? Was sind die Verantwortlichkeiten und Pflichten des
Staates auf den dem obligatorischen Schulunterricht nachgeordneten Ebenen wie
der oberen Sekundarstufe, der Hochschulbildung und der beruflichen Ausbildung auf
Sekundar- und Tertiärstufe? Wie kann die Verantwortung geteilt werden, während
zugleich die Prinzipien der Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit beim Zugang
zu Bildung und Ausbildung auf den höheren Stufen gewahrt werden?
135 Morgan, W. J. und White, I. 2014. The value of higher education: public or private good? Weiterbildung, 6,
2014, S. 38–41.
Bildung überdenken
Ein globales Gemeingut?
- Titel
- Bildung überdenken
- Untertitel
- Ein globales Gemeingut?
- Herausgeber
- Schweizerische UNESCO-Kommission
- Deutsche UNESCO-Kommission
- Österreichische UNESCO-Kommission
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-033-05613-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 96
- Kategorie
- Geisteswissenschaften