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84 Bildung überdenken • ein globales Gemeingut?
aus etwas Gemeinsames – in ihrer «Produktion» wie in ihrem Nutzen.144 So gesehen
erlaubt uns die Vorstellung vom Gemeingut, in mindestens dreifacher Hinsicht über die
Grenzen des Konzepts vom «öffentlichen Gut» hinauszugehen:
1. Die Vorstellung vom Gemeingut reicht über das instrumentelle Konzept des
öffentlichen Guts hinaus, bei dem das menschliche Wohlergehen durch in
di-
vidualistische, sozioökonomische Theorien gefasst wird. Aus der Perspektive
des Gemeinguts zählt nicht nur das «gute Leben» der Einzelnen, sondern auch
das Gute des Lebens, das den Menschen gemeinsam ist.145 Es kann nicht ein
persönliches oder eingeschränktes Gut sein.146 Dabei ist es wichtig zu betonen,
dass die in jüngster Zeit im internationalen Diskurs erfolgte Verlagerung von der
«Bildung» zum «Lernen» auf eine potenzielle Vernachlässigung der kollektiven
Dimensionen und des Zwecks der Bildung als soziales Unterfangen hindeutet.
Dies gilt sowohl für die umfassenderen sozialen Ergebnisse, die von der Bildung
erwartet werden, als auch dafür, wie Bildungsangebote organisiert werden. Die
Vorstellung von Bildung als «Gemeingut» bekräftigt die kollektive Dimension von
Bildung als gemeinsamem sozialem Unterfangen (geteilte Verantwortung und
Verpflichtung zur Solidarität).
2. Was mit Gemeingut gemeint ist, lässt sich nur mit Rücksicht auf die Vielfalt an
Kontexten und Konzepten von Wohlergehen und gemeinschaftlichem Leben
definieren. Verschiedene Gemeinschaften haben unterschiedliche Auffassungen
vom spezifischen Kontext des Gemeinguts.147 Vor dem Hintergrund der vielfältigen
kulturellen Interpretationen dessen, was ein Gemeingut ausmacht, muss die Politik
diese Vielfalt der Kontexte, Weltanschauungen und Wissenssystemen anerkennen
und unterstützen, während sie zugleich die Grundrechte respektiert. Nur so kann
vermieden werden, dass das menschliche Wohlergehen beeinträchtigt wird.148
3. Das Konzept betont den partizipatorischen Prozess, der selber schon ein Gemeingut
ist. Die gemeinsame Aktion ist etwas, was dem Gut selber innewohnt und ihm
nützt, und im Verlaufe der gemeinsamen Aktion werden auch Vorteile erzielt.149
Bildung als Gemeingut erfordert deshalb einen inklusiven Prozess der Formulierung
und Umsetzung der Politik, mit entsprechender Verantwortlichkeit. Gemeingüter
jenseits der Dichotomie «öffentlich – privat» einzuordnen bedeutet, neue Formen
und Einrichtungen einer partizipativen Demokratie zu entwickeln und anzustreben.
Diese müssten über die derzeitige Politik der Privatisierung hinausgehen, ohne
jedoch zu herkömmlichen Formen eines Public Management zurückzukehren.150
144 Adaptiert aus: Deneulin und Townsend, ibd.
145 Deneulin und Townsend, ibd.
146 Holster, K. 2003. The Common Good and Public Education. Educational Theory, 53(3), 347-361.
147 Zhang, op. cit.
148 Deneulin, und Townsend, op. cit.
149 Adaptiert aus Deneulin und Townsend, ibd.
150 Marella, op. cit.
Bildung überdenken
Ein globales Gemeingut?
- Titel
- Bildung überdenken
- Untertitel
- Ein globales Gemeingut?
- Herausgeber
- Schweizerische UNESCO-Kommission
- Deutsche UNESCO-Kommission
- Österreichische UNESCO-Kommission
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-033-05613-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 96
- Kategorie
- Geisteswissenschaften