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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
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55 Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 „Das Image Österreichs in der Bundesrepublik hat sich signifikant verschlechtert. Um diese Feststellung wird man, spricht man mit der Bevölkerung, Entscheidungsträgern und Medienvertretern, nicht herumkommen. Wenn auch noch große Sympathien und Wertschätzung für unser Land bestehen, so haben doch Glykol, ein ‚Krank- (bzw. Tod) beten‘ [sic!] unserer Wirtschaft, die Ereignisse um den Herrn Bundespräsidenten sowie neuerdings die Berichte über Antisemitismus unseren Ruf beeinträchtigt.“204 204 Zu den einzelnen Punkten führte Bauer im Detail aus: „Die ‚Glykolaffäre‘ hat gegenüber dem Vorjahr dabei an Bedeutung verloren. Man lacht heute mehr darüber, als daß man sich noch ärgert. Allerdings ist auch Lächerlichkeit, besonders aber die oft damit verbundenen Charakteristiken ‚Unverläßlichkeit‘ und ‚mangelnde Seriosität‘, schädlich. Wenn auch der Einfluß des Glykols auf das bundesdeutsche Bild von Österreich abgenommen hat, so ist es keineswegs vergessen und mag sich im Zusammenhang mit einer anderen, im Endeffekt viel bedeutsameren Entwicklung auswirken: Seit mehreren Monaten zeichnen seriöse deutsche Printmedien wie Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung ein sehr negatives Bild der österreichischen Wirtschaft. Es findet dabei weder eine Polemik noch gar eine Verfälschung von Fakten statt, sondern es werden, in fast allen Fällen unter Zitie- rung österreichischer Quellen, negative Ereignisse und Meldungen besonders unterstrichen. Insgesamt entsteht dadurch der Eindruck, daß Österreich knapp vor einer größeren wirt- schaftlichen Krise steht. Kontakte der Botschaft mit wichtigen Vertretern der Wirtschaft und der politischen Szene zeigen, daß man zwar die Wirtschaftssituation in Österreich nicht so düster einschätzt wie dargestellt, die negativen Berichte aber deutliche Spuren hinterlassen haben. Die besondere Gefahr liegt aber nach ha. Ansicht darin, daß die genannten deutschen Medien von maßgeblichen internationalen Wirtschaftskreisen aufmerksam gelesen werden. Auswirkungen, z. B. auf die Bankrate für österreichischerseits aufgenommene Kredite, wären daher nicht überraschend. Die Berichterstattung über die Ereignisse um den Herrn Bundes- präsidenten hat die Bundesrepublik weniger berührt als viele andere westliche Länder. Aller- dings ist das in der Regel geäußerte Unverständnis für die Kampagne und insbesondere für die US-Maßnahmen meist gepaart mit einer negativen Beurteilung des Verhaltens des Herrn Bundespräsidenten gegenüber den erhobenen Vorwürfen. Wesentlich beunruhigender ist jedoch die nunmehr auftretende Tendenz, Österreich als antisemitisches Land abzustempeln, das nicht bereit ist, (gemeinsame)  geschichtliche Verantwortung zu tragen. […] Die beson- deren Voraussetzungen der Bundesrepublik führen auch zu einer besonderen Einschätzung der Entwicklung. Einerseits wird nicht ungern gesehen, daß nun auch Österreich auf einem Gebiet zur Verantwortung herangezogen wird, wo die Bundesrepublik bisher allein gestan- den ist: Es bereitet sicherlich vielen Schadenfreude, zu beobachten, daß das aus hiesiger Sicht österreichische ‚Hinausschleichen‘ aus der Geschichte des 2. Weltkrieges ein Ende gefunden hat. Ausserdem erhofft man sich mancherorts, daß dadurch von eigenen rechtsradikalen Ent- wicklungen, der Historikerdiskussion, Bitburg usw. abgelenkt wird. Andererseits befürchtet man ein ‚Überschwappen‘ der Kampagne auf die Bundesrepublik. Viele der heutigen poli- tischen Entscheidungsträger haben eine ähnliche Vergangenheit wie der Herr Bundesprä- sident. Antisemitische Strömungen sind hier keineswegs ausgerottet und können jederzeit  – auch im Zusammenhang mit dem zwar derzeit nicht aktuellen, aber latent immer noch vorhandenen Fremdenhaß  – ausbrechen.“ Bauer hielt es daher für „dringend erforderlich“ dem gegenwärtigen Bild der österreichischen Wirtschaft und dem „Antisemitismusimage“ entgegenzuwirken sowie das Gedenken an den 50. Jahrestag des „Anschlusses“ von 1938 im Folgejahr sorgfältig vorzubereiten. Siehe Botschafter Bauer an BMAA, Bonn, 22. Juli 1987, Zl. 314-Res/87, ÖStA, AdR, BMAA, II-Pol 1987, Res-Berichte Bonn (Hervorhebungen im Original). Siehe dazu auch: Katrin Hammerstein, Gemeinsame Vergangenheit – getrennte Erinnerung? Der Nationalsozialismus in Gedächtnisdiskursen und Identitätskonstruktionen von Bundesrepublik Deutschland, DDR und Österreich, Göttingen 2017.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
Titel
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Untertitel
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
Herausgeber
Michael Gehler
Maximilian Graf
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
Ort
Göttingen
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35587-5
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
792
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
  2. I. Vorbemerkungen 7
  3. II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
    1. 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
    2. 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
    3. 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
    4. 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
    5. 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
  4. III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
    1. 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
    2. 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
    3. 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
    4. 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
    5. 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
    6. 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
    7. 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
    8. 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
  5. IV. Editorische Vorbemerkungen 99
    1. Verzeichnis der Dokumente 103
    2. Dokumente 111
    3. Abkürzungsverzeichnis 723
    4. Literaturverzeichnis 731
    5. Personenregister 735
    6. Sachregister 773
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