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Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990
wurde registriert.330 Worum es zumindest auch manchen amerikanischen Diplo-
maten und Politikern ging, sprach Deputy Seceretary of State Lawrence Eaglebur-
ger anlässlich eines Besuches in Wien aus. Nachdem Mock darauf hingewiesen
hatte „dass es gefährlich wäre, die NATO als eine Art Wachhund für die Deut-
schen anzusehen“, bejahte Eagleburger dies zwar, wollte „aber doch ein Körnchen
Wahrheit in einer derartigen, mancherorts vertretenen Auffassung sehen“. Jeden-
falls hielt Eagleburger ein „subtiles“ Vorgehen der Bundesrepublik für nötig.331
Die Sowjetunion hatte zwar noch keine definitive Haltung betreffend die
Realisierung der deutschen Einheit eingenommen, jedoch bereits dem „Zwei-
plus-Vier“-Prozess zugestimmt, auf den man sich am 13. Februar 1990 am Rande
der „Open Skies“-Konferenz in Ottawa verständigt hatte. Dieser sah Verhand-
lungen der beiden deutschen Staaten mit den vier Siegermächten des Zweiten
Weltkriegs vor, die schließlich in eine abschließende Regelung über Deutschland
anstellte eines Friedensvertrags mündeten. Insbesondere die Sowjetunion ver-
mochte sich während der bis September dauernden Gesprächsrunden nur lang-
sam von der Vorstellung der Notwendigkeit eines Friedensvertrags für Deutsch-
land zu lösen.332
Als Schewardnadse in jenen Tagen unter Bezugnahme auf die künftigen Gren-
zen Deutschlands auch Österreich erwähnte, maß man dieser Aussage am Ball-
hausplatz kaum Bedeutung bei,333 obwohl derartige Anspielungen wiederkehr-
ten. Deutlich war für die österreichische Diplomatie, dass es der sowjetischen
Deutschlandpolitik an einem Konzept mangelte und es auch echte Ängste vor der
deutschen Einheit gab, die aber weniger aus der Rolle Deutschlands als aus dem
durch die historischen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs geprägten Deutsch-
landbild in der sowjetischen Gesellschaft abzuleiten waren und die in den kreml-
internen Machtkämpfen instrumentalisiert wurden, während auf der Hand lag,
dass man deutscher wirtschaftlicher Unterstützung bedürfen würde. Sich auf
dieses komplexe Geflecht einen Reim zu machen, fiel nicht nur der sowjetischen
Führung, sondern auch der österreichischen Diplomatie schwer.334
Es war im Moskauer diplomatischen Corps durchaus andeutungsweise zu ver-
nehmen, dass es auch in der sowjetischen Führung Stimmen gab, die in einer
Einbeziehung des gesamten Deutschlands in die NATO die Sicherheitsinteressen
der Sowjetunion besser gewährleistet sahen als in einer Neutralisierung,335 die
auch in fortschreitendem Maße unrealisierbar schien.336 Ende März vermeinte
die österreichische Botschaft in Moskau erstmals auch in öffentlichen Äußerun-
gen eine Nuancierung der sowjetischen Haltung in dieser Frage ausmachen zu
330 Siehe dazu auch noch Dok. 143.
331 Siehe Dok. 131.
332 Siehe Dok. 124.
333 Siehe Dok. 121.
334 Siehe Dok. 130.
335 Siehe Dok. 134.
336 Siehe Dok. 135.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99