Seite - 122 - in Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
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Anfang 1985: Grundbericht Österreich und die DDR
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Dok. 1
8.2 Einzelbereiche
8.2.1 Österreich ist mit der DDR bereits durch ein sehr ausgedehntes Netz ver-
traglicher Beziehungen (hievon 18 Verträge und Regierungsabkommen, siehe Li-
ste unter Punkt 8.3)43 verbunden. Offen ist derzeit insbesondere der Abschluß
eines Vermögensvertrages.44 Die Verhandlungen hierüber werden fortgesetzt.
Der Abschluß eines Abkommens über die Gebührenfreiheit für Sichtvermerke für
gewisse Kategorien von Reisen (Sport, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft) dürfte
bald zustande kommen.45
8.2.2 Ungeachtet der vielen Impulse, die die bilateralen Beziehungen durch die of-
fiziellen Besuche von Bundeskanzler Kreisky (30. März –1. April 1978) in der DDR,
des Staatsratsvorsitzenden E. Honecker in Österreich (10.–13. November 1980),
des Herrn Bundespräsidenten in der DDR (11.–14. Oktober 1983) und zuletzt des
Herrn Bundeskanzlers in der DDR (5./6. November 1984) und zahlreichen Besu-
chen auf Ministerebene (siehe Punkt 8.4)46 erhielten, sind die bilateralen Bezie-
hungen auf zahlreichen Gebieten noch steigerungsfähig.
43 Die Auflistung der Verträge entfällt hier.
44 Die Regelung offener vermögensrechtlicher Fragen gehörte zu den prioritären Anliegen Öster-
reichs gegenüber der DDR nach der diplomatischen Anerkennung am 21. Dezember 1972.
Nachdem der Gesamtumfang des Komplexes Vermögensfragen anfänglich nicht überschau-
bar war, wurden erst 1974 Verhandlungen aufgenommen und rasch zeigte sich, dass grund-
gegensätzliche Auffassungen bestanden. Seitens der DDR gab es lange Zeit überhaupt kein
Bestreben, den Vertrag zu einem Abschluss zu bringen. Dies änderte sich auch mit der Intensi-
vierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Ende der 1970er- und Anfang der
1980er-Jahre nicht. Erst anlässlich des Besuches von Bundespräsident Rudolf Kirchschläger in
der DDR im Oktober 1983 insistierte Österreich nachdrücklich auf die Notwendigkeit des Ab-
schlusses eines Vertrages. Daraufhin entschied das SED-Politbüro im April 1984, dass diese
offene Frage mit dem hohen Niveau der Beziehungen nicht vereinbar sei. Fortan wurde ernst-
haft über einen Vermögensvertrag verhandelt. In langwierigen und schwierigen Verhandlun-
gen wurde nach einer politischen Lösung in Form eines Kompromisses gesucht. Im September
1986 einigte man sich schließlich auf einen Vertrag, der eine globale Entschädigungssumme
in der Höhe von 136,4 Millionen Österreichischen Schilling vorsah. Die DDR versuchte die
Unterzeichnung des vom österreichischen Ministerrat bereits am 12. November 1986 gebil-
ligten Abkommens durch die Herstellung eines Junktims mit dem ebenfalls in Verhandlung
stehenden Vertrag über den gegenseitigen „Schutz von Herkunftsangaben“ noch weiter zu
verzögern. Schlussendlich wurde diese Forderung fallen gelassen. Die Unterzeichnung er-
folgte am 21. August 1987 im Rahmen von Wirtschaftsverhandlungen in Salzburg und wurde
durch den stellvertretenden Außenhandelsminister Gerhard Beil und Außenminister Alois
Mock vorgenommen (siehe Dok. 7). Die Ratifikation durch den Staatsrat der DDR erfolgte
am 15. Jänner 1988, eine Veröffentlichung im Gesetzblatt der DDR jedoch nicht. Vgl. dazu
Graf, Österreich und die DDR, S. 549–558.
45 Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Deut-
schen Demokratischen Republik über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken be-
ziehungsweise Visa für Reisen zur Erfüllung wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, kultureller
oder sportlicher Aufgaben samt Anlagen, BGBl. Nr. 428/1987.
46 Die Auflistung der Besuche auf Fachministerebene entfällt.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99