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12.8.1986: Bericht Botschafter Wunderbaldinger Dok. 3
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alen Integrität und Souveränität aller Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen
Grenzen zitiert. Dies soll wohl auch zur Beruhigung der Verbündeten dienen. Für
Westberlin wird die strikte Einhaltung und volle Anwendung des Berlin-Abkom-
mens zugesichert. Die SED werde sich auch in Zukunft Versuchungen widerset-
zen, dieses Abkommen auf seine Belastbarkeit zu testen.
Den Dialog mit der BRD
– er war in der letzten Zeit intensiver und frucht barer
als je zuvor – will sich die SED erhalten; begründet werden die Kontakte mit der
Leistung eines Beitrages zur Wiederbelebung und Entspannung in Europa an der
Grenze der beiden Paktsysteme. Die an der BRD geübte Kritik war wohl nicht
mehr als eine Pflichtübung.
In der Reaktion Gorbatschows war ein Drängen auf mehr Zurückhaltung ge-
genüber der BRD unüberhörbar. Wenn er sagte: In der Politik der BRD sei keine
Logik zu erkennen. Es gebe keine andere Regierung in Westeuropa, die das ame-
rikanische militärische SDI-Programm so beflissen unterstützt. Die UdSSR sei je-
doch bereit, ihre Beziehungen zur BRD auf gleichberechtigter Grundlage und zum
beiderseitigen Vorteil auch weiterhin auszubauen, vorausgesetzt, dass die Politik
Bonns tatsächlich den Interessen des Friedens und der Sicherheit entspricht. So
muss dieser Maßstab auch für das Verhältnis zwischen DDR und BRD gelten.
Politbüromitglieder erklärten auch bald darauf, dass die Politik gegenüber der
BRD zwar von einer komplizierter gewordenen Situation auszugehen hat, dass die
bisherige Generallinie jedoch nicht verlassen wird. Das Interesse der SED an der
Fortsetzung des Dialogs bleibt aufrecht, wird allerdings durch den Zusatz „ergeb-
nisorientierter Dialog“ eingeschränkt.
Wirtschaftspolitik RGW
Die DDR hat auf wirtschaftlichem Gebiet nicht nur nach dem ZK-Bericht, sondern
in der Tat Fortschritte gemacht. Mit 4,5 % Wachstum im Durchschnitt der Jahre
1981–1985 war sie eindeutig an der Spitze der Partner im RGW. Für die kommen-
den fünf Jahre wird eine Wachstumsrate von 4,4 bis 4,7 % angestrebt. Aus sowje-
tischer Sicht scheint die DDR eine realistische und fundierte Plandirektive erstellt
zu haben. Gorbatschow befasste sich daher erwartungsgemäß mit der Frage, wie
stark sich die Wirtschaft der DDR auf sowjetische Bedürfnisse einstellen muss. Er
sprach sich nicht nur für mehr Zusammenarbeit aus, sondern verlangte eine Kor-
rektur der gegenwärtigen Situation. Unter anderem mehr direkte Beziehungen
auf allen Ebenen, die Überwindung alter Denkschemata und eine Entlastung der
RGW-Organisationen von operativen Instruktionen.
Konferenz des Warschauer Paktes in Budapest
Die Verankerung der Dialogbereitschaft mit dem Westen und die Bereitschaft
zur Weiterführung des Helsinki-Prozesses in den Budapester Dokumenten7 zeigt,
7 Die Staats- und Regierungschefs der Warschauer-Pakt-Staaten waren am 10. und 11. Juni 1986
zu einem Gipfeltreffen in Budapest zusammengekommen und verabschiedeten eine Erklä-
rung, die u. a. in Neues Deutschland veröffentlicht wurde. Siehe: Appell der Teilnehmerstaaten
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Buch Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit"
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99