Seite - 161 - in Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
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6./7.10.1987: Gespräche Mocks mit Kohl und Genscher Dok. 11
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letztgenannte Interesse werde durch den für das übernächste Jahr vorgesehenen
Vorsitz Österreichs in EUREKA dokumentiert.
Hinsichtlich der Verkehrspolitik meint der HVK, dass in der österreichischen
Bevölkerung eine große Beunruhigung über die Belastung durch den Transitver-
kehr entstanden sei. Die Gemeinschaften müssten endlich zu einem Beschluss
über ein Verhandlungsmandat gelangen.
Gleichzeitig meldet der HVK das österreichische Interesse an der EG-Aussen-
politik an und zwar insbesonders am Euro-arabischen Dialog, sowie den Bezie-
hungen der EG zu ASEAN und Lateinamerika.
Schließlich erinnert der HVK an einen Brief, den er an VK Genscher zur Frage
der Erhöhung des Budgets des Europarates geschrieben habe; der Europarat bleibe
ein nützliches und wichtiges Forum; er selbst unterstütze GS Oreja17 in seinen Be-
mühungen um eine Strukturbereinigung im Verhältnis zu der EG (s. auch Bericht
der COLOMBO-Kommission).18
In seiner Antwort meint VK Genscher, dass die österr. Strategie einer völligen
Einbindung in den Binnenmarkt die einzig richtige sei; Österreich müsste sich
gänzlich auf diesen neuen Wirtschaftsraum einstellen und sich nicht in Einzel-
oder Sonderregelungen verzetteln.
VK Genscher anerkennt die Bedeutung des ER19 als notwendige politische Er-
gänzung zur Wirtschaftskooperation zwischen EG und EFTA; wie auch schon das
Beispiel EUREKA zeigt, muss Europa offen angelegt werden.
Über Ersuchen des HVK gibt dann VK Genscher seine Bewertung des Ost-
West-Verhältnisses wieder:
Gorbatschow, aber auch schon Andropow, seien die richtigen Personen zur
richtigen Zeit. Die technologische Entwicklung dränge zu mehr Offenheit; wenn
sich ein Land dieser Entwicklung verschließe, fällt es zurück. Abgesehen vom mi-
litärischen Sektor sei die Sowjetunion überall zurückgeblieben. Dass die Sowjet-
union nur auf dem militärischen Sektor an der Spitze liege, in den meisten Wirt-
schaftsbereichen aber weit abgeschlagen sei, erkläre sich unter anderem daraus
dass es innerhalb des sowjetischen Systems eine Art Technologiesperre gibt, die
den Transfer von „know-how“ aus dem Rüstungsbereich in den zivilen Bereich
weitgehend verhindere. Die Reformen in China, das weniger bürokratisiert sei,
hätten ebenfalls einen gewissen Einfluss auf die sowjetische Reform gehabt. Ob
Gorbatschow mit seiner Reform durchkomme oder nicht, sei allerdings ungewiss.
17 Marcelino Oreja Aguirre, Generalsekretär des Europarates (1984–1989), Mitglied des Euro-
päischen Parlaments (1989–1993).
18 Die Commission of Eminent European Personalities („Colombo Commission“) wurde 1984
unter dem Vorsitz des christdemokratischen italienischen Spitzenpolitikers Emilio Colombo
gegründet und legte im Juni 1986 dem Europarat ihren Bericht vor, der sich unter anderem
für eine engere Kooperation zwischen dem Europarat und dem Europäischen Parlament aus-
sprach. Die Versammlung des europäischen Parlaments befasste sich am 27. Jänner 1987 mit
dem Bericht und fasste die zustimmende Resolution 871 (1987).
19 Europarats
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Buch Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit"
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99