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Nach 1918
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
Seite - 176 -
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28.1.1988: Länderberichte Gesandter Sucharipa 176 Dok. 16 von Bundeskanzler Kohl als großer Erfolg bezeichneten Reisebewegungen in die BRD haben den Druck der Reise- und Ausreisewilligen nicht vermindert.7 Die schon lange bestehenden Kontakte der SED-Parteiführung mit der poli- tischen Opposition in Bonn gipfelten in der Unterzeichnung eines Grundsatz- papieres zwischen SED und SPD.8 Der Inhalt des Papieres hat der Führung in der Folge jedoch einige offenbar für sie überraschende Schwierigkeiten bereitet, da sich die Parteibasis durch den eher plötzlich verordneten friedlichen Wettstreit der beiden Gesellschaftssysteme verunsichert fühlte. Zahlreiche Anfragen und Diskussionen veranlaßten Kurt Hager, Sekretär des Zentralkomitees für Kultur, Wissenschaft und Ideologie, in einer eher scharfen Stellungnahme das alte Feind- bild wieder „zurechtzurücken“.9 7 Die SED-Führung sah sich seit Anfang der 1980er-Jahre in Folge des KSZE-Nachfolgeprozes- ses zunehmend unter Druck gesetzt, um zum ersten Mal eine förmliche Regelung zu veröffent- lichen, die ein Antragsrecht auf Ausreise enthielt. Es handelt sich um die „Verordnung zur Re- gelung von Fragen der Familienzusammenführung und der Eheschließung zwischen Bürgern der DDR und Ausländern“ vom 15. September 1983. Sie gab Ausreisewilligen erstmals die Möglichkeit, sich auf eine Norm zu beziehen. Antragsteller konnten den Arbeitsplatz verlieren und die Kinder von höheren Bildungseinrichtungen ausgeschlossen werden. Wer dem Antrag öffentliche Wirksamkeit verlieh oder um westliche Unterstützung bat, konnte strafrechtlich belangt werden. Zwischen 1976 und 1988 wurden etwa 20.000 Ermittlungsverfahren gegen Antragsteller geführt, die zumeist mit Gefängnisstrafen zwischen einem und zwei Jahren endeten. Von Mitte der 1970er-Jahre bis Oktober 1989 stellten dennoch circa 250.000 Men- schen einen Ausreiseantrag. Ende 1988 hatten in der DDR rund 110.000 Menschen Ausreise- anträge gestellt. Siehe generell Hans-Joachim Veen (Hrsg.), Lexikon. Opposition und Wider- stand in der SED-Diktatur, Berlin / München 2000. 8 Seit 1984 trafen sich Vertreter der SPD-Grundwertekommission und der Akademie für Gesell- schaftswissenschaften beim ZK der SED zu Gesprächen. Das Ergebnis war ein am 27. August 1987 sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik publiziertes Dialogpapier mit dem Titel „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“. Siehe Gesandter Lorenz Graf an BMAA, Berlin (Ost), 3. September 1987, Zl. 160-RES/87, ÖStA, AdR, BMAA, II-Pol 1987, GZ. 22.17.01/2-II.1/87. Hier fasste Gesandter Graf folgendes zusammen: „Die Zukunft wird erst zeigen, ob die Bemerkung von Prof. Reißig, daß dem Papier historische Bedeutung zu- komme, zu hoch gegriffen war. Die Tatsache des Zustandekommens dieses Papieres ist jedoch zweifellos bemerkenswert. Nach fast siebzigjähriger Trennung von Sozialdemokraten und Kommunisten ist dies das erste derartige Papier. Im Alltag der Menschen wird zu beobachten sein, was von den Formulierungen der jeweiligen Ideologen in die praktische Politik einge- flossen ist. Wenn sich beide Seiten Reformfähigkeit zusprechen und damit eine Flexibilität des jeweiligen Systems voraussetzen, so bleibt abzuwarten, ob Eppler mit seiner Hoffnung auf einen „systemöffnenden Dialog“ recht behalten wird. Mit dem Zustandekommen dieses Papiers vor dem Besuch Erich Honeckers in Bonn konnte die SED öffentlichkeitswirksam ihre immer betonte Bereitschaft zum politischen Dialog unterstreichen und zweifellos einen atmosphärischen Beitrag zur deutsch-deutschen Diskussion leisten. Darüber hinaus hat die SED mit deutlicher Blickrichtung auf Moskau unterstrichen, daß man auch in der DDR zu einem neuen Denken bereit sei. Vertreter der SPD müßten sich jedoch im klaren sein, daß die angekündigte Diskussion nichts Grundsätzliches berühren wird und nur dort punktuell zum Tragen kommen wird, wo es dem Regime um kontrollierte Bewegung geht.“ 9 Siehe Botschafter Franz Wunderbaldinger an BMAA, Wien, 17. November 1987, Zl. 224- Res/87, ÖStA, AdR, BMAA, II-Pol, GZ. 43.03.00/5-II.3/87. Hier wurde folgendes festgehalten:
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
Titel
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Untertitel
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
Herausgeber
Michael Gehler
Maximilian Graf
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
Ort
Göttingen
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-ND 4.0
ISBN
978-3-666-35587-5
Abmessungen
15.5 x 23.2 cm
Seiten
792
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
  2. I. Vorbemerkungen 7
  3. II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
    1. 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
    2. 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
    3. 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
    4. 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
    5. 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
  4. III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
    1. 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
    2. 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
    3. 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
    4. 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
    5. 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
    6. 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
    7. 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
    8. 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
  5. IV. Editorische Vorbemerkungen 99
    1. Verzeichnis der Dokumente 103
    2. Dokumente 111
    3. Abkürzungsverzeichnis 723
    4. Literaturverzeichnis 731
    5. Personenregister 735
    6. Sachregister 773
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