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18.7.1990: Information Gesandter Plattner
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Dok. 162
der deutschen Einheit geregelt werden sollen. Die Erklärung soll bei der nächsten
„2+4“-Runde am 12. September in Moskau erörtert werden.9
Polnische Westgrenze
Bei der jüngsten „2+4“-Gesprächsrunde, an welcher auch der polnische Außen-
minister10 teilnahm, stand die Frage der polnischen Westgrenze im Mittelpunkt
(der Bonner Bundestag und die DDR-Volkskammer hatten am 21. Juni eine Er-
klärung über die Unverletzlichkeit der Oder-Neisse-Linie und einen abzuschlie-
ßenden Grenzvertrag zwischen Gesamtdeutschland und Polen verabschiedet).11
Hiebei ließ Polen seine zuletzt erhobene Forderung fallen, wonach die volle Sou-
veränität Deutschlands erst nach Ratifizierung dieses Grenzvertrages hätte wie-
derhergestellt werden sollen. Es wurde nunmehr Einigung darüber erzielt, daß
der Vertrag in kürzestmöglicher Zeit nach Realisierung der deutschen Einheit
unterzeichnet und dem gesamtdeutschen Parlament zur Ratifizierung zugeleitet
werden soll.12 (Die BRD hat auch Polen wirtschaftliche Hilfe zugesagt.)
III. Wertung
Es kann nun damit gerechnet werden, daß die Vereinigung der beiden deutschen
Staaten noch vor Jahresende Wirklichkeit wird.
Durch die in Moskau bzw. Paris erzielte Einigung haben erreicht:
die BRD: die Realisierung der deutschen Einheit
der Westen: die NATO-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands
die SU: die Befriedigung ihrer Sicherheitsinteressen (deutsche Truppenstärke, deut-
scher Verzicht auf ABC-Waffen, erste Schritte zur Veränderung der NATO als Voraus-
setzung für ggstdl. Einigung, darüber hinaus Faustpfand einer Truppenpräsenz öst-
lich der Elbe auf 3–4 Jahre)
sowie wirtschaftliche Hilfe durch BRD bzw. des Westens.
Aus gesamteuropäischer Sicht ebnet die Übereinkunft den Weg für eine zügige
Fortsetzung der militärischen Verhandlungen in Wien13 und für die angestrebte
Errichtung einer neuen politischen Architektur in Europa.
Für Österreich wird u. a. von Interesse sein, welche Auswirkungen die Bemü-
hungen der westeuropäischen Staaten um die feste „Westbindung“ Deutschlands
auf die Entwicklung der EG (Vertiefung, Europäische Union!) haben werden.
Wien, am 18. Juli 1990
Plattner m. p.
9 Siehe Dok. 170–172.
10 Krzysztof Skubiszewski, Außenminister Polens (1989–1993), siehe Personenregister mit
Funk tionsangaben.
11 Gemeinsame Entschließung des Deutschen Bundestages und der Volkskammer der DDR zur
deutsch-polnischen Grenze vom 21. Juni 1990, in: Texte zur Deutschlandpolitik, III/8a
– 1990,
S. 411–412.
12 Siehe dazu Dok. 127, Anm. 14 und Dok. 141, Anm. 11.
13 Damit sind die Verhandlungen über die Konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE), die von
6. März 1989 bis 19. November 1990 in Wien stattfanden, gemeint. Siehe dazu bereits Dok. 20,
Anm. 10.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99