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25.7.1990: Information für den Bundeskanzler Dok. 165
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2.3. Wirtschaft: Die österreichische Wirtschaft ist sehr daran interessiert, sich
weiterhin in diesem Raum zu engagieren und die neuen Möglichkeiten bestmög-
lich zu nutzen.
Wie beurteilt MP de Maizière die Möglichkeiten, vor allem auch angesichts
der BRD-Konkurrenz? Welche Bereiche bieten sich aus seiner Sicht besonders an?
Die rasche und pragmatische Lösung der Freihandelsfrage im industriell-
gewerblichen Sektor ist besonders begrüßenswert.10 Österreich hofft auf eben-
solche Lösungen im Agrarbereich, sobald diesbezügliches Verhältnis DDR-EG
geregelt ist.
2.4. Enteignetes Grundvermögen / Treuhandverwaltungen: DDR und BRD haben
sich grundsätzlich geeinigt, solches Vermögen – abgesehen von dem zwischen
1945 und 1949 auf besatzungsrechtlicher oder – hoheitlicher Grundlage enteig-
netem – den ehemaligen Eigentümern oder deren Erben zurückzustellen. Davon
sind auch zahlreiche Österreicher betroffen, die wohl – ungeachtet des geltenden
Vermögensvertrages – eine solche Rückstellung anstreben werden.11
10 Siehe dazu bereits Dok. 160, Anm. 17.
11 Die österreichische Position zur „Rückerstattung oder Entschädigung von Vermögen in der
DDR“ lautete: „Zwischen der Republik Österreich und der Deutschen Demokratischen Repu-
blik wurde am 21. August 1987 zur Regelung offener Vermögensrechtlicher Fragen ein Vertrag
abgeschlossen, der am 1. Juni 1988 in Kraft getreten ist und unter BGBI. Nr. 188/1988, veröf-
fentlicht wurde. Nach diesem Vertrag verpflichtet sich die DDR zur Leistung einer Globalent-
schädigung an Österreich, die nach dem Verteilungsgesetz-DDR, Bundesgesetz vom 22. Jän-
ner 1988, BGBI. Nr. 189/1988, unter die österreichischen Anspruchswerber (insgesamt etwa
1.000) durch die zuständigen österreichischen Behörden zu verteilen ist. Von dem oberwähn-
ten Vertrag und dem in Rede stehenden Verteilungsgesetz werden Vermögensverluste durch
DDR-Maßnahmen solcher österreichischer Personen erfasst, die sowohl am 8. Mai 1945 als
auch am 21. August 1987 die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben. Die Anträge
auf Entschädigung der in Frage kommenden Personen sind zum Teil bereits abgewickelt, zum
Teil aber noch nicht. Von der Globalentschädigung sind noch zwei Raten ausständig.
In der Zwischenzeit haben sich die Regierungen der DDR und der BRD dahingehend ge-
einigt, enteignetes Grundvermögen – abgesehen von jenem zwischen 1945 und 1949 auf be-
satzungsrechtlicher oder hoheitlicher Grundlage enteigneten
– grundsätzlich den ehemaligen
Eigentümern oder deren Erben zurückzugeben sowie Treuhandverwaltungen und ähnliche
Maßnahmen mit Vermögensbeschränkungen über Grundeigentum, Gewerbetriebe und sons-
tiges Vermögen aufzuheben. Die für die Abwicklung der Rückstellung erforderlichen Gesetze
sind jedoch seitens der DDR noch zu erlassen. Details insbesondere hinsichtlich der Antrags-
stellung durch die Anspruchswerber sind derzeit noch nicht bekannt.
Wie allfällige Anträge österreichischer Staatsbürger auf Rückstellung von Vermögens-
werten angesichts des Bestehens des obzitierten behandelt werden, kann derzeit nicht beurteilt
werden. Das DDR-Außenministerium war jedenfalls anlässlich eines kürzlichen Besuches des
Leiters der Sektion IV [Erik Nettel] in Berlin nicht in der Lage, sich zu dieser Frage klar zu
äußern.“ Es zeichnete sich bereits ab, dass Österreicher nun versuchen würden, im Behörden-
weg ihre Vermögensverluste zurückzufordern und eine Neuregelung zu verlangen obwohl der
Vermögensvertrag eine abschließende Regelung darstellte. „Auf Grund der in der DDR einge-
tretenen politischen Veränderung sowie im Hinblick auf die künftige Vereinigung vom ha.
Standpunkt besteht in Bezug auf den Vermögensvertrag kein Hindernis, dass die von der DDR
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Buch Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit"
Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Titel
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Untertitel
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Herausgeber
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 792
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99