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Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
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Digitale Datenbanken10 Informationen in Datenbanken bleiben bei Manovich weitgehend außen vor. In- folgedessen verschwindet die heterogene Vielgestaltigkeit der digitalen Datenbank- kultur hinter der vermeintlichen Einheit der Datenbank als symbolischer Form. Auch im öffentlichen Diskurs steht der informatische Begriff der Datenbank eher im Hintergrund. Das Wort Datenbank fungiert vielmehr als Projektions- flĂ€che fĂŒr die vielfĂ€ltigen, heterogenen und scheinbar grenzenlosen Möglich- keiten der Verzeichnung, Zirkulation, PrĂ€sentation, Selektion und Auswertung von Informationen in Computern. Hierbei wird die RealitĂ€t der computertechnischen Informationsverarbeitung von einem ImaginĂ€ren ĂŒberlagert. Stephan Porombka zufolge entfaltet sich an Datenbanken die »Phantasie vom virtuell vollstĂ€ndigen GedĂ€chtnis« (Porombka 1998: 318) – alle möglichen Informationen scheinen in digitalen Datenbanken vorhanden und verfĂŒgbar zu sein. Auch wenn die Einlösung dieser VollstĂ€ndigkeitsutopie stets ausbleiben wird, ist ihre Imagination ungemein verfĂŒhrerisch und suggestiv. Eben dies hat Jorge Luis Borges (1992 [1941]) in Die Bibliothek von Babel vor Augen gefĂŒhrt. In der kurzen ErzĂ€hlung beschreibt Borges das Gedankenexperiment einer vollstĂ€ndigen Bibliothek, die nicht nur alle jemals verfassten, sondern alle möglichen BĂŒcher enthĂ€lt.10 Wenn jedes Buch, wie Borges beschreibt, 410 Seiten mit 40 Zeilen je Seite und 80 Zeichen je Zeile umfasst und das Alphabet aus 25 Zeichen (22 Buchstaben, Punkt, Komma und Leerzeichen) besteht (vgl. Borges 1992 [1941]: 68f.), dann ist die Zahl der BĂŒcher in der Bibliothek zwar endlich aber dennoch unfassbar groß wie der Mathematiker William Goldbloom Bloch herausstellt: »The number of books in the Library, although easily notated, is unimaginable« (Bloch 2008: 22). Die totale Bibliothek enthĂ€lt 25(410 x 40 x 80) = 251.312.000 ≈ 1,956 x 101.834.097 BĂŒcher.11 Die VollstĂ€ndigkeit der Bibliothek von Babel mag »ein ĂŒberwĂ€ltigendes GlĂŒcks- gefĂŒhl« (Borges 1992 [1941]: 71) verursachen. Doch eigentlich sind ihre erhabene GrĂ¶ĂŸe und deren Berechenbarkeit nebensĂ€chlich, wenn nicht sogar trĂŒgerisch. Das Gedankenexperiment fĂŒhrt die Idee der Bibliothek ad absurdum. Gerade weil die totale Bibliothek jedes mögliche Buch enthĂ€lt, finden sich in ihr keine tatsĂ€ch- lichen BĂŒcher mehr. Jeder mögliche Autor12 hat unter allen möglichen Titeln jeden möglichen Text verfasst sowie jeden möglichen Standpunkt und auch immer dessen Gegenteil vertreten. Die Universalbibliothek ist daher eine »widersprĂŒchliche Bibliothek, deren vertikale Einöden aus BĂŒchern unaufhörlich Gefahr laufen, sich in andere zu verwandeln, die alles bestĂ€tigen, leugnen und verwirren wie eine wahn- 10 | In dem 1939 verfassten Essay Die totale Bibliothek fĂŒhrt Borges die Idee der Universalbibliothek auf Gustav Theodor Fechner zurĂŒck, jedoch ohne eine genaue Quelle zu nennen (vgl. Borges 2003 [1939]: 165). Literarisch aufgearbeitet wurde diese Idee erstmals 1904 von Kurd Laßwitz in Die Universalbibliothek (1998 [1904]). 11 | FĂŒr eine ErlĂ€uterung dieser Berechnung siehe Bloch (2008: 11ff.). 12 | Der folgende Text macht weitgehend vom generischen Maskulinum Gebrauch. Sofern nicht genauer spezifiziert, sind stets Personen beider Geschlechter sowie Menschen, die sich außerhalb des binĂ€ren Geschlechtersystems verorten, gemeint.
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Digitale Datenbanken Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
Title
Digitale Datenbanken
Subtitle
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
Author
Marcus Burkhardt
Publisher
transcript Verlag
Date
2015
Language
German
License
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-8394-3028-6
Size
14.7 x 22.4 cm
Pages
392
Category
Informatik

Table of contents

  1. Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
  2. Die Frage nach den Medien 22
  3. Wann sind Medien? 33
  4. Über Medien reden: Medienepistemologie 58
  5. Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
  6. PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
  7. SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
  8. Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
  9. Was sind Datenbanken? 121
  10. Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
  11. Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
  12. Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
  13. Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
  14. Kommunikation mit Informationssammlungen 167
  15. Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
  16. Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
  17. Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
  18. Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
  19. Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242
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