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nicht Schritt halten kann.14 Doch gemäß dem Motto, das diesem Kapitel voran-
gestellt wurde, ist bereits die Suche das Ziel und fĂĽhrt schon das Fragen nach dem
Medienbegriff »ein Stück weiter ins Rätsel« (Mersch 2003b: 131) der Medien. Bevor
im Fortgang des Kapitels ein eigener Begriffsvorschlag entwickelt wird, sollen im
Folgenden zunächst die Setzungen expliziert werden, die als Voraussetzungen darin
eingehen werden.15 Darzustellen sind die zentralen Grundannahmen und Probleme,
die fĂĽr meine Hinwendung zum Medienbegriff leitend sind.
Die Frage nach dem Medienbegriff fĂĽhrt auf das Spielfeld der Philosophie.
Wenn Philosophie, wie Roesler herausstellt, mit der »Arbeit am Begriff« (Roesler
2003: 34) gleichgesetzt werden kann, was ist dann das Ziel der philosophischen
Begriffsreflexion? Eine prägnante Antwort hierauf gibt Wolfgang Welsch in seiner
Auseinandersetzung mit dem Begriff der Ă„sthetik vor dem Hintergrund von Ă„sthe-
tisierungsprozessen in postmodernen Gesellschaften: Begriffe dienen dem »phi-
losophischen Begreifen dessen, was ist« (Welsch 1996: 20). Welsch formuliert diese
Maxime in Abgrenzung zu Positionen, die sich für eine Beschränkung der Ästhetik
auf den Bereich der Kunst stark machen. Dies greift seines Erachtens zu kurz:
»Das billigste Verhalten gegenüber der neuartigen und bedrängenden Aktualität des
Ästhetischen besteht darin, die Phänomene einfach zu leugnen – weil nicht sein
kann was nicht sein darf; und weil nicht ist, was man nicht wahrnimmt. Allzu leicht
bedient man sich des begrifflichen Tricks, von Ă„sthetik per definitionem nur im Blick
auf die Kunst zu sprechen – schon ist man die bedrängenden Fragen losgeworden
und im sicheren Hafen traditioneller Fragestellungen gelandet. Solcher Eskapismus
mag für ängstliche Seelen nötig sein. [...] Er folgt dem magischen Glauben, durch
Wegsehen die Phänomene zum Verschwinden bringen zu können, bzw. dem Theo-
riewahn, nicht erklären, sondern bloß dekre tieren zu müssen. – Im Unterschied zu
solchen Eskapismus gilt es, die diversen Ă„sthetisierungen unverkĂĽrzt in den Blick
zu nehmen, zu unterscheiden und zu bedenken. Nur so kann man zu begrĂĽndeten
Optionen gelangen.« (Welsch 1996: 20)
Der offenkundigen Polemik Welschs liegt die Annahme zugrunde, dass Begriffe die
Wirklichkeit nicht nur strukturieren; sie mĂĽssen sich zugleich an dieser orientieren.
Verändert sich die Wirklichkeit, dann ist es unumgänglich, dass bestehende Be-
griffe erneut ĂĽberdacht werden. Insofern macht sich Welsch dafĂĽr stark, dass das
14 | Auf diese Gefahr hat bereits McLuhan hingewiesen, demzufolge durch Medien
Umwelten geschaffen werden, in denen man lebt, aber deren Spezifik man gerade
nicht wahrnehmen kann (vgl. McLuhan 1969: 56).
15 | Beobachtungen basieren, wie Schmidt in Geschichten und Diskurse herausgear-
beitet hat, stets auf Setzungen, die als Voraussetzungen in die Beobachtung ein-
flieĂźen (vgl. Schmidt 2003: 27ff.). Analog hierzu basieren auch Begriffsdefinitionen
auf Setzungen. Eine besondere Herausforderung besteht darin, diese Vorausset-
zungen zu explizieren.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242