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Digitale
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philosophische Denken nicht konservativ an tradierten Begrifflichkeiten festhält,
sondern mit neuen Begriffsentwürfen den Veränderungen und Transformations-
prozessen in der gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeit Rechnung trägt.
Im Anschluss an das von Welsch formulierte Ziel philosophischer Begriffsarbeit
muss der Medienbegriff das Begreifen unserer medialen Wirklichkeit ermöglichen.
Diese ist spätestens seit den 1980er Jahren vor allem durch die digitalen Medien
geprägt, deren Durchsetzung in nahezu allen Lebensbereichen Georg Christoph
Tholen zufolge eine Zäsur darstellt, die das Denken über Medien nachhaltig beein-
flusst:
»Unleugbar hat sich mit der Evolution der Neuen Medien die Frage nach ihrem
epistemologischen Ort zugespitzt. Erst mit dem ubiquitären Siegeszug in beinahe
allen gesellschaftlichen Bereichen wurde seine Bestimmung, als universelles bzw.
inklusives Medium die vormals getrennten Einzelmedien dank der digitalen Codier-
barkeit integrieren zu können, tragfähig. Und mit der Verbreitung des ›persön-
lichen‹ Computers wurde darüber hinaus seine Funktion als neues Leitmedium
zum dominanten Thema sowohl der Medienskepsis als auch der Medieneuphorie.«
(Tholen 2002: 19)
Mit dem Computer wird, so die These Tholens, die Epistemologie des Medialen
problematisch. Die geläufigen Bestimmungen von Medien als Mittel oder Instru-
mente erscheinen in Hinblick auf den Computer als bloße Metaphern. Als Ursache
führt Tholen die unbestimmte Verwendbarkeit des Computers an, »dessen Zweck-
bestimmungen loslösbarer, willkürlicher erscheinen als bei rein analogen Speicher-
und Übertragungsmedien« (Tholen 2002: 20). Der Computer widersetzt sich dem-
zufolge einer einfachen Definition: »Alles ist eins, und: nichts im Computer ist, was es
ist« (Tholen 2002: 43). Die nahezu universelle, zweckoffene Programmierbarkeit von
Computern bildet den Horizont, vor dem sich ihre vielfältigen, stets partikularen
Gebrauchsweisen situieren. Diese Besonderheit des Computers als Medientech-
nologie kann im Sinne der Technikphilosophie Heideggers auf die Formel gebracht
werden: Wenn die moderne Technik die Welt als Bestand entbirgt, wird durch
Computer das Technische selbst zum Bestand, der in Form unterschiedlichster
(Software-)Anwendungen aktualisiert wird.16 In der zweckoffenen Programmier-
barkeit von Computern liegt nach Ansicht Tholens ihr »metaphorischer ›Als-Ob‹-
16 | Den Bestandscharakter der modernen Technik erörtert Heidegger unter ande-
rem am Beispiel des Flugzeugs: »Aber ein Verkehrsflugzeug, das auf der Startbahn
steht, ist doch ein Gegenstand. Gewiß. Wir können die Maschine so vorstellen.
Aber dann verbirgt sie sich in dem, was und wie sie ist. Entborgen steht sie auf der
Rollbahn nur als Bestand, insofern sie bestellt ist, die Möglichkeit des Transports
sicherzustellen. Hierfür muß sie selbst in ihrem ganzen Bau, in jedem ihrer Bestand-
teile bestellfähig, d.h. startbereit sein« (Heidegger 2000 [1953]: 17f.). Während
das Flugzeug, in der Terminologie Heideggers, dazu bestellt ist Transport zu ermög-
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242