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befriedigenden Antwort führen. Eine mögliche Ursache hierfür ist, wie Wittgen-
stein zu bedenken gegeben hat, dass die Frage selbst falsch gestellt ist.24 An diese
Anregung anknĂĽpfend wird im folgenden Kapitel ein Perspektivwechsel auf das
Problem des Medienbegriffs vorgeschlagen, der im ersten Schritt darauf hinaus-
läuft, die starke Frage nach dem Was der Medien durch die schwächere Frage Wann
sind Medien? zu ersetzen.
Dieser Reformulierungsvorschlag lehnt sich in gewissen Grenzen an Nelson
Goodmans Plädoyer an, hinsichtlich der Kunst nicht nach dem Was, sondern nach
dem Wann zu fragen, wobei sich dessen Argumentation vorrangig gegen essen-
tialistische Kunstvorstellungen richtet (vgl. Goodman 1998: 77ff.). Goodman be-
zweifelt, dass sich angeben lässt, was Kunst im Wesentlichen ist, weshalb er für die
Auseinandersetzung mit der Frage plädiert: »›Wann ist ein Objekt ein Kunstwerk?‹
– oder kürzer [...] ›Wann ist Kunst?‹« (Goodman 1998: 87). Infolgedessen erscheint
es zweitrangig, aus welchem Grund etwas – ein Objekt – prinzipiell Kunst ist. Zen-
tral ist fĂĽr Goodman vielmehr die Frage, wann Objekte als Kunst fungieren (vgl.
Goodman 1998: 90f.).
Bereits Ludwig Jäger hat Goodmans Kritik an Wesensfragen aufgegriffen und
auf den Medienbegriff angewendet. Jägers Aneignung der Wann-Frage, bleibt
jedoch nah an dem Vorschlag Goodmans. Dessen Frage Wann ist Kunst? ist Jäger
zufolge mit der Frage gleichzusetzen: »[W]ann und unter welchen Bedingungen
24 | Die Überzeugung, dass sich philosophische Probleme lösen lassen, indem ge-
zeigt wird, dass es sich um Scheinprobleme handelt, findet sich bemerkenswerter
Weise sowohl in Wittgensteins Früh- als auch seiner Spätphilosophie, deren Unter-
schiede zumeist in den Vordergrund gestellt werden. In Satz 4.003 seines frĂĽhen
Hauptwerks Tractatus logico-philosophicus schreibt Wittgenstein: »Die meisten Sätze
und Fragen, welche ĂĽber philosophische Dinge geschrieben worden sind, sind nicht
falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen die ser Art überhaupt nicht beant-
worten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fragen und Sätze der
Philosophen beruhen darauf, daĂź wir unsere Sprachlogik nicht verstehen. (Sie sind
von der Art der Frage, ob das Gute mehr oder weniger identisch sei als das Schöne.)
Und es ist nicht verwunderlich, daĂź die tiefsten Probleme eigentlich keine Probleme
sind« (Wittgenstein 1984 [1921]: 4.003). Eine ähnliche Position vertritt der Autor
auch in den Philo sophischen Untersuchungen, wenn er feststellt, dass viele Pro-
bleme der Philoso phie auf Missverständnissen beruhen: »Unsere Betrachtung ist
daher eine gram matische. Und diese Betrachtung bringt Licht in unser Problem,
indem sie Mißverständnisse wegräumt. Mißverständnisse, die den Gebrauch von
Worten betreffen; hervorgerufen, unter anderem, durch gewisse Analogien zwischen
den Ausdrucksformen in verschiedenen Gebieten unserer Sprache. – Manche von
ihnen lassen sich beseitigen, indem man eine Ausdrucksform durch eine andere
ersetzt; dies kann man ein ›Analysieren‹ unsrer Ausdrucksformen nennen, denn der
Vorgang hat manchmal Ähnlichkeit mit einem Zerlegen« (Wittgenstein 1984 [1953]:
§90).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242