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sind diese Mediendefinitionen, sofern mit ihnen der Anspruch verbunden wird,
anzugeben, was Medien sind. Denn ausgehend von den Inhalten können Medien
nur indirekt bestimmt werden. Daher wird vorgeschlagen, diese Definitionsvor-
schläge als mögliche Antworten auf die Frage Wann sind Medien? zu lesen, welche es
erlauben den Bereich des Medialen von dem des Außermedialen zu unterscheiden.
Verbunden mit dieser Umakzentuierung lässt sich ebenso die Notwendigkeit wie
die Möglichkeit zurückweisen, auf Grundlage des Medienbegriffs zu einer belast-
baren Unterscheidung einzelner Medien zu gelangen. Welche Konsequenzen dies
für das Reden über Medien hat, wird im folgenden Kapitel dargelegt. An dieser
Stelle soll im Anschluss an die Mediendefinitionen von Lambert Wiesing und Mat-
thias Vogel zunächst danach gefragt werden, wann begründet davon auszugehen ist,
dass Medien im Spiel sind und demzufolge die Einnahme des medientheoretischen
Blicks sinnvoll ist.
Angesichts der Tatsache, dass Medien in ihrem Gebrauch unsichtbar bleiben,
formuliert Wiesing in seinem Aufsatz Was sind Medien? (2005) Zweifel daran, dass
eine Phänomenologie der Medien zu einer brauchbaren Mediendefinition führen
kann. Denn phänomenologisch beschrieben werden könne nur der Umstand, dass
Medien unsichtbar bleiben.40 Fruchtbarer erscheint es ihm, sich dem Projekt einer
Phänomenologie der Medienprodukte zuzuwenden. Wiesings zentrale These lautet
dabei: »Medien erkennt man an den phänomenologischen Eigenschaften ihrer Pro-
dukte« (Wiesing 2005b: 159). Als Medienprodukte werden in diesem Zusammen-
hang diejenigen Phänomene angesprochen, welche durch Medien zur Erscheinung
kommen – also das, was Medien zeigen, ohne sich selbst zu zeigen.
Wenn es möglich ist, einem Medienprodukt anzusehen, »daß es von einem
Medium sichtbar gemacht wurde« (Wiesing 2005b: 160), dann ist nach der Spezifik
dessen zu fragen, was durch Medien zur Erscheinung kommt.41 Zur Beantwortung
dieser Frage schlägt Wiesing vor, auf die Unterscheidung von Genesis und Geltung
zurückzugreifen, welche in der Phänomenologie Edmund Husserls eine prominente
40 | Dass nicht alles, was im Gebrauch unthematisch bleibt, ein Medium ist, zeigt
Wiesing zufolge das Beispiel der Strümpfe: »Wenn jemand mit Strümpfen und
Schuhen auf einem Fußboden steht, dann spürt er in der Regel nicht seine Strümpfe
und seine Schuhe, sondern den Boden« (Wiesing 2005b: 153). Infolgedessen ist
es, wie Wiesing gegen Boris Groys und Maurice Merleau-Ponty einwendet, nicht hin-
rei chend, den Medienbegriff anhand der operativen Unsichtbarkeit von Medien zu
definieren (vgl. Wiesing 2005b: 151).
41 | Alternativ könnte behauptet werden, dass Medien immer dann eine Rolle spielen,
wenn dem intentionalen Bewusstsein etwas erscheint (vgl. Wiesing 2005b: 159).
Infolgedessen wäre Phänomenologie implizit immer schon Medien wissenschaft, da
in letzter Konsequenz das Bewusstsein als (Proto-)Medium beschrieben werden
müsste, wie Ferdinand Fellmann vorgeschlagen hat (vgl. 2006: 155ff.). Gegen eine
Gleichsetzung von Phänomenologie und Medien wissenschaft spricht sich Wiesing
jedoch explizit aus (vgl. Wiesing 2005b: 160).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242