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Digitale
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Beschreibung von Medienprodukten darin mĂŒndet, den Medien etwas Magisches
zuzuschreiben. Auf diese Magie hat bereits Maurice Merleau-Ponty hingewiesen,
als er in Die Prosa der Welt von den »zauberformelhaften Schriftzeichen« schrieb,
durch die hindurch man »direkt zum Sinn des Buchs gelangt« (Merleau-Ponty 1993
[1969]: 37).
Der phÀnomenologische Definitionsvorschlag Wiesings erklÀrt nicht die Funk-
tionsweise von Medien, sondern bestimmt Medien indirekt anhand dessen, was
sie hervorbringen. An dieser metatheoretischen Scharnierstelle setzt ebenfalls die
Argumentation von Matthias Vogel an, der in Rekurs auf den Interpretationismus
Donald Davidsons eine handlungstheoretisch fundierte Mediendefinition vor-
schlÀgt (vgl. Vogel 2001, 2003). Zentrales Argument Vogels ist, dass der Medien-
begriff nur dann hinreichend geklÀrt werden kann, wenn man die Leistung von
Medien als Kommunikationsmittel genauer in den Blick nimmt. Hierbei ist zu-
nÀchst zu fragen, was das Spezifische an Kommunikation ist. Nach Ansicht Vogels
besteht das EigentĂŒmliche der Kommunikation darin, was man gemeinhin durch
»semantische Begriffe« (Vogel 2003: 115) zu beschreiben versucht, d.h. durch
Begriffe, die so etwas wie Sinn, Gehalt, Bedeutung oder Verstehen meinen. Wenn
Medien diejenigen Mittel sind, die Kommunikation ĂŒberhaupt erst ermöglichen,
dann muss eine Definition des Medienbegriffs gemÀà Vogel an dieser Stelle
ansetzen.45 Demnach schlÀgt Vogel Àhnlich wie Wiesing vor, den Medienbegriff
durch Auseinandersetzung damit zu prÀzisieren, was durch Medien vermittelt wird,
d.h. durch die Spezifik medialer Inhalte. Die DefinitionsvorschlÀge beider Autoren
unterscheiden sich vor allem darin, mit welchem theoretischen Instrumentarium sie
die Leistung des Medialen bestimmen und wie sie ausgehend hiervon thematisieren,
was Medien sind. WÀhrend sich Wiesing gemÀà der phÀnomenologischen Maxime,
zu beschreiben und nicht zu erklĂ€ren, gegen die Möglichkeit ausspricht, ergrĂŒnden
zu können, wie Medien tun, was sie tun, versucht Vogel handlungstheoretisch die
Funktionsweise von Medien zu erklÀren.46 Anhand der Position Vogels kann auf
der einen Seite deutlich gemacht werden, dass es möglich ist, produktiv nach dem
45 | Eine Àhnliche Position formuliert der Medienwissenschaftler Hartmut Winkler,
der behauptet, »dass das Symbolische/Semiotische nicht ein Aspekt unter meh-
reren, sondern die unverrĂŒckbar-zentrale des Medialen ist« (Winkler 2008: 211).
Sofern das Symbolische respektive Semiotische durch Begriffe wie Sinn und Bedeu-
tung charakterisiert werden kann, nÀhert sich auch Winkler der Frage nach dem
Medienbegriff indirekt an.
46 | Wiesing legt sein VerstÀndnis phÀnomenologischen Philosophierens in Das
Mich der Wahrnehmung dar. Die PhÀnomenologie enthÀlt sich ihm zufolge sÀmtlicher
Modelle: »Ein PhĂ€nomenologe drĂŒckt sich vor jedem Modell, vor jeder Induktion, vor
jedem noch so plausiblen SchluĂ, einfach deshalb, weil er ihnen nur auĂerhalb von
philosophischen Argumentationen einen Platz zubilligt. Dieses âșsich drĂŒckenâč nennt
man âșEpochĂ©âč: die Enthaltung von Urteilen. Sie ist notwendig, wenn es gilt, ohne
Mo dellbildung zu philosophieren, wenn man versucht zu beschreiben, wie es ist, der
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
- PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
- SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242