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65Medium
menen Welt ein Medium vermittelt. Auf den ersten Blick erinnert dies sehr an die
aristotelische Wahrnehmungstheorie, doch anders als Aristoteles charakterisiert
Heider Medien nicht primär anhand ihrer Transparenz, sondern schlägt eine
strukturelle Beschreibung von Medien im Unterschied zu Dingen vor. Auf Grund-
lage dessen ist es Heider möglich zu erklären, warum etwas in der Wahrnehmung
als Medium fungiert und etwas anderes wiederum als Ding wahrgenommen wird.
Die Physik bildet das gemeinsame Fundament von Dingen und Medien, d.h.
Wahrnehmungsdinge und Wahrnehmungsmedien sind physikalische Entitäten, die
aus einer Vielzahl von Elementen bestehen.75 Der Unterschied zwischen einem Ding
und einem Medium besteht darin, wie strikt oder lose diese Elemente miteinander
in Verbindung stehen. Strukturell sind Medien im heiderschen Sinn durch die lose
Kopplung ihrer Elemente gekennzeichnet, sie bilden eine Vielheit (vgl. Heider 1926:
117f.). Die Elemente, aus denen ein Ding besteht, sind demgegenüber strikt mit-
einander verbunden, sodass das Ding dem Medium seine Form einprägen kann;
d.h. im Wahrnehmungsprozess fungieren Dinge aufgrund der strikten Kopplung
als Einheit, obgleich sie aus einer Vielzahl einzelner Elemente zusammengesetzt
sind.
Medien als dazwischen liegende Mittler können die Einheit der Dinge in sich
aufnehmen und hierdurch zwischen Wahrgenommenem und Wahrnehmenden
vermitteln. Wie bei Spuren im Sand prägen Dinge Medien ihre Form ein. Hierdurch
aktualisiert sich die Einheit des Dings in Medien als »falsche Einheit« (Heider 1926:
135). Daher nimmt man nicht das Medium wahr, sondern vermittels des Mediums
die Eigenschaften von Dingen. Medien sind, wie Heider feststellt, außenbedingt,
wohingegen Dinge, die aus sich heraus auf Medien einwirken, innenbedingt sind
(vgl. Heider 1926: 116f.).76 Entscheidend ist hierbei, dass weder die Vielheit und
Außenbedingtheit von Medien noch die Einheit und Innenbedingtheit von Dingen
Eigenschaften sind, die physikalischen Entitäten wesensmäßig zukommen. Ob
75 | Da die Vermittlung von Wahrnehmungsobjekten in der Physik der Dinge gründet,
ist der Vermittlungsprozess für Heider notwendig als ein kausaler Vorgang zu ver-
stehen. Doch der Hinweis auf diesen Kausalzusammenhang ist nicht hinreichend,
um zu erklären, warum etwas, das Ding, als Ursache in einer Kette von Kausalzusam-
menhängen als Wahrnehmungsursache herausgehoben und wahrgenommen wird:
»Unser Wahrnehmen trifft aber auf ein bestimmtes Glied der Kette [gemeint ist die
Kette kausaler Zusammenhänge, M.B]. In Bezug auf die Kausierung sind also alle
Glieder der Kette gleichberechtigt; in Bezug auf die Wahrnehmung nicht, sondern
da gibt es ein ausgezeichnetes Glied und zwar unser Wahrnehmungsobjekt« (Heider
1926: 113).
76 | Heider merkt an, dass auch die Bewegung einer durch einen Queue an-
gestoßenen Billardkugel außenbedingt ist, doch ist der Verlauf der Kugel keines-
wegs aufgezwungen (vgl. Heider 1926: 117f.). Die Bewegung der Kugel ist durch die
Einheit der Kugel vorherbestimmt, d.h. das Anstoßen der Kugel setzt kein »Vielheits-
geschehen« (Heider 1926: 118) in Gang und deshalb ist die Kugel kein Medium.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242