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67Medium
»Die Unterscheidung von medialem Substrat und Form dekomponiert das allgemeine
Problem der strukturierten Komplexität mit Hilfe der weiteren Unterscheidung von
lose und strikt gekoppelten Elementen. Diese Unterscheidung geht davon aus, daß
nicht jedes Element mit jedem anderen verknüpft werden kann; aber sie reformuliert
das damit gestellte Selektionsproblem, bevor sie es behandelt, noch einmal durch
eine weitere, vorgeschaltete Unterscheidung, um dann Formen (in diesem engeren
Sinne strikter Kopplung) als Selektion im Bereich eines Mediums darstellen zu
können.« (Luhmann 1998: 196)
Dieses Wechselspiel von Ermöglichung und Beschränkung ist zentral für die
Medium/Form-Unterscheidung und soll als Beschreibungsperspektive in die Be-
trachtung medialer Konfigurationen Eingang finden.79 Aus den einzelnen Steinen
lässt sich z.B. ein Würfel formen, eine Kugel hingegen nicht. Hierbei handelt es
sich um eine typische Erfahrung im Umgang mit Legosteinen. Die Form der ver-
fügbaren Legosteine beschränkt die Möglichkeiten dieser Steine, als Medium für
Formen zu dienen. Zudem können Legosteine nur auf eine gewisse Art miteinander
verbunden werden. Durch den Ausschluss anderer Möglichkeiten der Verkopplung
von Steinen eröffnen Legosteine ihren spezifischen Möglichkeitsraum für Formen,
welche wiederum als Medium für weitere Formen dienen können.
Dies berührt einen zweiten wichtigen Aspekt der Medium/Form-Unterschei-
dung: Luhmann schlägt vor, das Verhältnis zwischen verschiedenen Medien im
Rahmen dieser Unterscheidung zu denken und zu beschreiben. Ein Medium
ist stets Medium für Formen, die wiederum zum Medium für andere Formen
werden können. Infolge dessen stehen Medien bei Luhmann in einer Inklusions-
und Stufenbeziehung zueinander, welche mit einer russischen Matrjoschka-Puppe
vergleichbar ist. Öffnet man eine Matrjoschka-Puppe, enthält diese eine weitere,
die wiederum eine Puppe enthält usf. Den Kern der Medien-Matrjoschka bildet
bei Luhmann stets das »Universalmedium« (Luhmann 1998: 51) Sinn, dem als
Medium insofern eine Sonderstellung zukommt, als es zugleich Form ist: »Sinn
ist als Medium eine Form, die Formen konstituiert, damit sie Form sein kann«
(Luhmann 1995: 174).80 Es sei denn man betrachtet Sinn als Medium, dann hat man
79 | Der Vergleich der Medium/Form-Unterscheidung mit Legobaukästen lässt einen
wichtigen Unterschied zu Heiders Medienkonzept offenkundig werden. Sind Ding
und Medium bei Heider noch unterschiedliche Entitäten, deren Elemente relativ
zueinan der entweder strikt oder lose gekoppelt sind, so bestehen Medium und
Form bei Luhmann aus denselben Elementen, wobei sich die Form gegenüber dem
Medium aufgrund der strikteren Kopplung der Elemente durchsetzt und beobachtet
werden kann. Allein der Grad der Kopplung ein und derselben Elemente bestimmt
den Unterschied zwischen Medium und Form.
80 | Alle psychischen und sozialen Systeme operieren Luhmann zufolge mit Sinn
und sie können die Grenze zum Unsinnigen nicht überschreiten (vgl. Luhmann 1998:
199). Vom Sinnlosen kann nur im Rahmen von Sinnoperationen gesprochen werden,
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242