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es der luhmannschen Theorie zufolge immer mit Medien im Plural zu tun, die in
einer Reihe aufeinanderfolgender Medium/Form-Unterscheidungen unterschieden
werden können. Ausgehend vom allgemeinen und unhintergehbaren Medium Sinn
erscheinen Medien und Formen bei Luhmann als Reihe »einer sich endlos ver-
schachtelnden Intermedialität« (Mersch 2010: 189). Es handelt sich um ein lineares
Nacheinander von Medien und Formen und kein Nebeneinander verschiedener
Vermittlungsdimensionen, weshalb es im Rahmen der luhmannschen Begriffe
nicht möglich ist, mediale Transformationen als intramediale Rekonfigurationen
zu beschreiben. Hierin besteht der zentrale Nachteil von Luhmanns Theorie. Indem
er Form(en) zu einem Medium in Beziehung setzt, verengt er den Blick auf eine Ver-
mittlungsdimension. Dass sich bei der Hervorbringung von Formen oder medialen
Konstellationen gleichzeitig auf unterschiedlichen Ebenen vielfältige Vermittlungs-
prozesse vollziehen, kann im Rahmen der Medium/Form-Unterscheidung nicht be-
obachtet werden. Ebenso wie die in Medien erscheinenden Formen von Luhmann
nur hinsichtlich des Geltungsaspekts thematisiert wurden, werden Medien als
Ermöglichungsbedingungen für Formen nur in Bezug darauf betrachtet, wie sie
Geltung ermöglichen. Als problematisch erweist sich dies bereits bei der medien-
theoretischen Auseinandersetzung mit Sprache und Schrift, die in einem komplexen
Verhältnis zueinander stehen, welches die Medium/Form-Unterscheidung sprengt,
wie Luhmanns eigene Analyse der Schrift zeigt. In dieser bleibt auf seltsame Weise
unklar, wie Sprache und Schrift zueinander in Verbindung stehen.
Auf der einen Seite entwickelt Luhmann seine Beobachtungen zum Medium
Schrift in Abgrenzung zum Medium Sprache, das als »Medium mündlicher
Kommunikation« (Luhmann 1998: 249) entstanden ist. Hierbei vertritt er die
These, dass es »keine Punkt-für-Punkt Äquivalenzen zwischen mündlicher und
schriftlicher Kommunikation« (Luhmann 1998: 255) gibt. Demzufolge ist nicht die
Repräsentation von sprachlichen Einheiten das Ziel der Schrift, sie leistet vielmehr
eine »Neukonstruktion von Differenzen« (Luhmann 1998: 255). Auf der anderen
Seite rekurriert Luhmann jedoch auch auf das Medium Sprache als Basis oder
Grundlage von Schrift:
»Der Gebrauch der Schrift setzt mithin einen doppelten Einsatz der Unterscheidung
von Medium und Form voraus. Im Anschluß an Sprache zunächst eine Menge von
Schriftzeichen für noch unbestimmte, wenngleich regulierte Möglichkeiten der
Kopplung, die als Medium für die Bildung von Texten dienen. Auf dieser ersten
Stufe muß Schrift physikalisch funktionieren und bleibt der Destruktion ausgesetzt
d.h. die Unterscheidung zwischen Sinnvollem und Sinnlosem bedient sich des Medi-
ums Sinn: [D]ie Sinnwelt ist eine vollständige Welt, die das, was sie ausschließt nur
in sich ausschließen kann« (Luhmann 1998: 49). Die Rede vom Sinnlosen wird nicht
bedeutungslos, sondern führt im Medium Sinn einen zweiten Sinnbegriff ein. Sinn
in Opposition zum Sinnlosen meint dann »den Lebenssinn, der gemeinte Verlust ist
ein Wertverlust« (Reese-Schäfer 1992: 35).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242