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Digitale
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Luhmanns Antwort fällt hier ausführlicher aus, da er nicht nur darum bemüht
ist darzustellen, was genau ihn am Computer medientheoretisch interessiert,
sondern auch aufzeigen möchte, welchen Problemen und Fragen er sich nicht zu-
wenden wird. Relativ uninteressant erscheint ihm der Vergleich von Computern mit
dem Bewusstsein und die sich daran anschließende Frage, ob es möglich sei, dass
Erstere die Leistung des menschlichen Gehirns übertreffen könnten. Ebenso er-
scheint ihm die Frage, »ob und wie weit Computer die gesellschaftskonstituierende
Leistung der Kommunikation ersetzen oder überbieten können« (Luhmann 1998:
303) als »Nebenproblem« (Luhmann 1998: 304).10 Obwohl der Vergleich von
Computer und Bewusstsein sowie Computer und Kommunikation legitime For-
schungsperspektiven eröffnen, gilt Luhmanns Interesse der Frage, »wie es sich
auf die gesellschaftliche Kommunikation auswirkt, wenn sie durch computer-
vermitteltes Wissen beeinflußt wird« (Luhmann 1998: 304). Was ihm dabei vor-
schwebt, sind »weltweit operierende, konnexionistische Netzwerke des Sammelns,
Auswertens und Wiederzugänglichmachens von Daten […], die themenspezifisch,
aber nicht räumlich begrenzt operieren« (Luhmann 1998: 304). Den thematischen
Fokus seiner Analyse legt Luhmann, wie Baecker treffend herausstellt, auf den »ver-
netzte[n] Computer als Wissensdatenbank« (Baecker 2001: 598), d.h. er betrachtet
die digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien hinsichtlich ihres
Vermögens, Informationen und Wissen zu versammeln, diese zu verwalten, zu
verarbeiten und zirkulieren zu lassen. Insofern lässt sich der luhmannsche Ansatz
nicht nur als Medientheorie des Computers begreifen, sondern auch als dezidierter
Beitrag zu einer Medientheorie digitaler Datenbanken verstehen. Bemerkenswert
an Luhmanns Auseinandersetzung mit digitalen Medientechnologien ist, dass die
von ihm entwickelte Perspektive auf produktive Weise quer zu gängigen medien-
theoretischen Positionen zum Computer liegt.11
Wie bedingen Computer das Sammeln, Auswerten und den Zugriff auf In-
formation? Obwohl Luhmann zunächst konstatiert, dass die »eigentlich folgen-
reiche Veränderung in der Erfindung und Entwicklung elektronischer Maschinen
10 | Ebenso wenig interessiert Luhmann der Computer aus einer rein technologischen
Perspektive, d.h. aus einer Perspektive, die der Kommunikation äußerlich bleibt. Ist
im Kontext der luhmannschen Medientheorie von technischen Verbreitungsmedien
die Rede, dann werden diese gerade nicht als Technologien betrachtet, sondern als
Medien für Formen, d.h. Medientechnologien sind für Luhmann in vielerlei Hinsicht
medientheoretisch uninteressant. In diesem Sinne ist ein Hinweis Luhmanns in
Die Wissenschaft der Gesellschaft zu verstehen, in dem er darlegt, worauf der
Medienbegriff seines Erachtens nicht abzielt: »Auch meinen wir nicht übertragungs-
technische Einrichtungen irgendwelcher Art, zum Beispiel Drähte oder Funkwellen«
(Luhmann 1992: 181).
11 | Wie im weiteren Verlauf des Kapitels zu zeigen sein wird, läuft die Oberfläche/
Tiefe-Topologie der einseitigen Betrachtung von Interfaces sowie der Fetischisierung
der technischen Tiefe des Computers entgegen.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242