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Computer 87
legen, in denen bestimmte Befehle zur VerfĂŒgung stehen und von den Nutzern als
aktualisierbares Potenzial aufgerufen werden können.28
Diese Rahmen werden in der heutigen Medienkultur zumeist durch Software-
anwendungen wie z.B. Betriebssysteme, Applikationen, Plug-ins, Datenbankma-
nagementsysteme etc. geschaffen, mit denen die Nutzer umgehen und in denen sie
agieren.29 Auch wenn Software durch eine bestimmte, im Unsichtbaren bleibende
Befehlsstruktur initiiert wird, rahmt sie die Aktionsmöglichkeiten ihrer Nutzer ein;
sie wirkt entsprechend der von Derrida beschriebenen Rahmenlogik parergonal
»von einem bestimmten AuĂen her, im Inneren des Verfahrens mit« (Derrida 1992:
74). Softwareanwendungen spannen OberflÀchen auf, von denen aus entsprechend
der Möglichkeiten der Software mit der unsichtbaren Tiefe interagiert werden kann.
Oder anders formuliert: Software bedingt, welche Befehle zur VerfĂŒgung stehen,
um welche OberflÀche mit welcher Tiefe in Verbindung zu bringen. Obwohl die
durch Software konstituierten Rahmen keine prinzipiellen Grenzen darstellen und
mindestens auf eine doppelte Weise â durch den Wechsel der Software sowie durch
28 | In der Studie Soziales Vergessen: Formen und Medien des GedÀchtnisses
der Gesellschaft thematisiert Elena Esposito (2002) dessen Medientheorie des
Computers hinsichtlich der Frage, wie sich das gesellschaftliche GedÀchtnis unter den
Bedingungen digitaler Medientechnologien transformiert. Espositos Deutung zielt
insbesondere auf die Ăberraschung ab, die durch die Operationen der unsichtbaren
Maschine in der Tiefe bei den Nutzern an der OberflÀche hervorgerufen werden
kann: »Zum ersten Mal haben wir es mit Maschinen zu tun, die gebaut worden sind,
um Ăberraschungen zu produzieren â und Informationen (also Ăberraschungen) sind
in der Tat ihr einziges Produkt. Es handelt sich in diesem Sinne um âșunsichtbare
Maschinenâč, die fĂŒr Kommunikation intransparent sind« (Esposito 2001: 249). Da
Esposito in erster Linie die Möglichkeit in den Blick nimmt, dass durch Computer
Ăberraschung in Kommunikation eingefĂŒhrt werden kann, greift ihre Rekonstruktion
von Luhmanns Ansatz zu kurz. Ihre Analyse verbleibt infolgedessen entweder auf
der OberflÀche oder in der Tiefe, ohne die Wechselwirkungen und Interdependenzen
beider Ebenen zu betrachten (vgl. Esposito 2002: 292ff.). Die unabhÀngige
Beschreibung der beiden Ebenen koinzidiert mit einer analytischen PrĂ€ferenz fĂŒr
die in der Tiefe operierende unsichtbare Maschine und fĂŒr die dort ablaufenden
Programme. Espositos Analyse wohnt eine gewisse Faszination fĂŒr das Neue inne,
ĂŒbersieht dabei jedoch das der luhmannschen Topologie des Computers immanente
Potenzial der Verbindung von Altem mit Neuem. Aus diesem Grund vermag Esposito
auch nicht zu sehen, dass Computer nicht nur ein bestimmtes OberflÀche/Tiefe-
VerhÀltnis realisieren können, sondern dass dies in verschiedenen Anwendungen
bzw. Anwendungskontexten auf unterschiedliche Weise konfiguriert wird.
29 | Diese Möglichkeiten können aber auch durch Hardware-Plattformen bedingt
werden, wie z.B. bei Apples iPhone. Jedoch handelt es sich bei diesem auch um
eine spezifische Software-Hardware-Konfiguration, da die FunktionalitÀten des
Smartphones nur in Verbindung mit dem Betriebssystem iOS verfĂŒgbar sind.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
- PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
- SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242