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Digitale
Datenbanken94
Infolge McLuhans lautet das Credo der Medientheorie, dass man von den kon-
kreten Inhalten medienvermittelter Kommunikate absehen muss und stattdessen
die medialen Bedingungen der Kommunikation zu reflektieren habe. Insofern
scheint die medientheoretische Auseinandersetzung mit der Seite der Daten und
Informationen geradezu ausgeschlossen, würde der Blick dabei doch auf die Inhalte
gelenkt, die es McLuhan zufolge nicht zu berücksichtigen gilt. Diese Forderung
scheint auf paradigmatische Weise von Turings Modell des Computers realisiert zu
werden, weil es die operative Seite der Informationsverarbeitung privilegiert und
den Daten einen Platz außerhalb der Maschine zuweist. Möglicherweise ist dies
einer der Gründe, warum das Modell der Turingmaschine in der Medienforschung
oft als ein zentraler Ausgangspunkt gedient hat, um sich der spezifischen Medialität
des Computers anzunähern.
Eine medientheoretische Analyse des Computers als Informationstech-
nologie muss jedoch dem von Bachman indirekt aufgezeigten Umstand Rechnung
tragen, dass das Modell der universalen Turingmaschine nicht geeignet ist, um die
existierenden Computertechnologien hinreichend zu beschreiben.41 Dies gilt ins-
besondere dann, wenn die Frage nach der spezifischen medialen Konfiguration
gestellt wird, in der digitale Datenbanken auftauchen bzw. die durch digitale Daten-
banktechnologien konstituiert wird. In diesem Zusammenhang ist die Auseinander-
setzung mit Daten und Informationen nicht ohne Weiteres mit der Hinwendung
zum Inhalt gleichzusetzen, von der bei der Beschreibung von Medien abgesehen
werden soll. Wenn also festgestellt werden konnte, dass Befehl nicht gleich Befehl
ist, dann sind analog hierzu die in der Tiefe des Computers verarbeiteten Daten
nicht miteinander gleichzusetzen. Unterschiedlich formatiert sind Daten auf ver-
schiedene Weisen an Prozesse anschließbar. Mehr noch: Ohne Formate gäbe es
keine Daten, wie Markus Krajewski prägnant auf den Punkt gebracht hat: »Daten
erfordern Formate« (2007: 37). Formate geben digitalen Daten einen Rahmen und
nur hierdurch können Computer diese als In-Formation verarbeiten:
»Das Format kanalisiert die Datenströme und bestimmt dementsprechend die He-
gung, Bändigung oder Kontrolle der zu speichernden, zu übertragenden oder zu ver-
arbeitenden Informationen. Mit anderen Worten, das Format determiniert nicht nur
die Struktur der Datenprozessierung, sondern den Funktionsmodus des Medi ums
selbst.« (Krajewski 2007: 38)
Auch wenn an der Oberfläche nicht immer klar ist, wie Daten in der Tiefe des
Computers formatiert sind, so dürfen sie nicht unterschiedslos als digitaler Code
behandelt werden. Im Prozess der digitalen Informationsverarbeitung werden
Differenzen zwischen Daten eingeführt, die es ermöglichen, sie als Information
41 | Zur Kritik am Modell der Turingmaschine in der Informatik siehe Anmerkung 36
in diesem Kapitel sowie Eberbach et al. (2004), Frenkel (1993), Goldin (2006), Van
Leeuwen und Wiederman (2000) sowie Wegner und Goldin (2003).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242