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Digitale
Datenbanken96
Zwischen menschlicher und technischer Informationsverarbeitung
In der Unterscheidung von sichtbarer Oberfläche und unsichtbarer Tiefe spiegelt
sich die doppelte Körperlichkeit der in Computern realisierten medialen Kon-
stellationen wider. Medienprodukte existieren im Kontext digitaler Medientechno-
logien nicht nur auf eine, sondern stets auf zwei Weisen. In der Tiefe des Computers
sind sie als binär-digital codierte Signalfolge gespeichert. Dieser Form der Ver-
körperung wohnt eine Unanschaulichkeit inne, weshalb die medialen Konstel la-
tionen an der Benutzeroberfläche als Texte, Bilder, Musikstücke, Webseiten, Filme
usw. zur Darstellung gebracht und damit für Menschen wahrnehmbar und inter-
pretierbar gemacht werden. Hierbei handelt es sich um die zweite, wenngleich
ephemere Form der Verkörperung medialer Konstellationen.44 Das Phänomen der
doppelten Körperlichkeit ist weder neu noch spezifisch für den Bereich digitaler
Medientechnologien. Es handelt sich vielmehr um ein Phänomen, welches immer
dann auftritt, wenn technische Hilfsmittel bei der Rezeption medialer Konstel-
lationen zum Einsatz kommen. Die Tonspur einer Schallplatte besteht beispiels-
weise nicht aus Tönen, sondern aus für das menschliche Auge nahezu unsichtbaren
Inskriptionen, die in einem apparativ realisierten Übersetzungsprozess in hörbare
Töne verwandelt werden.45 Demzufolge ist die mithilfe von Computern vollzogene
Übersetzung physischer Inskriptionen in wahrnehmbare mediale Konstellation
medienhistorisch nicht ohne Vorbild.
Neu ist hingegen, dass sich durch die digitalen Medientechnologien auch die
Ebenen verdoppeln, auf denen sinnvoll mit medialen Konstellationen umgegangen
werden kann. Zu diesem Schluss gelangt der Medienkünstler und Informatiker
entwicklung, als Designstrategie modularer Computeranwendungen (Black Boxing),
bei der Interface- und Interaktionsgestaltung usw. (vgl. Ullman 1999; Dijkstra 1969;
Hilgers 2010: 141; Govcom.org 2008).
44 | Die tendenzielle Unanschaulichkeit digitaler Daten wurde unter anderem von
Frank Hartmann herausgestellt: »Der digitale Code macht Information also technisch
verarbeitbar. Ein Nachteil ist aber ein deutlicher Verlust jener Anschaulichkeit, die
bei analogen Instrumenten (wie Uhren und Rechenschiebern) noch gegeben ist.
Aus der Problematik der Codierung ergibt sich damit zunehmend einer Problem der
Ein-Ausgabesteuerung bzw. des Interfaces. Da niemand lange Reihen von Bitfolgen
lesen kann, muss die Information übersetzt werden, beispielsweise in die Pixel
eines Bildschirms« (Hartmann 2006: 185).
45 | Ein anderes Beispiel sind Kinofilme, die projiziert werden müssen, um
als Film gesehen werden zu können. Die auf einer traditionellen Filmrolle linear
aneinandergereihten Bilder können zwar einzeln betrachtet werden, einen Film
nimmt man hierbei jedoch nicht wahr. Diese Erfahrung beruht auf der Projektion von
18 oder mehr Bildern pro Sekunde auf einer Leinwand. Hierdurch werden Standbilder
zu Bewegtbildern. Die Unanschaulichkeit des gespeicherten Films nimmt mit der
fortschreitenden Umstellung auf digitale Projektionsverfahren weiter zu.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242