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Computer 97
Frieder Nake bei seiner Suche »nach einer stabilen und soliden theoretischen
BegrĂŒndung von Informatik, Software und vielleicht auch Softwaretechnik« (Nake
2001: 739f.). Durchaus in Einklang mit der luhmannschen Topologie konstatiert
Nake, dass die digitalen Medientechnologien eine Verdopplung des Zeichenpro-
zesses bewirken. Seines Erachtens werden digitale Zeichen »stets und stÀndig und
unausweichlich auf doppelte Weise interpretiert, vom Menschen einerseits, vom
Computer andererseits, gleichzeitig und konkurrierend« (Nake 2001: 740). Dies
erlÀutert Nake am Beispiel digitaler Bilder, die seines Erachtens aus einer Ober-
flĂ€che und einer UnterflĂ€che bestehen: »Die OberflĂ€che ist sichtbar. Sie ist fĂŒr uns.
Die UnterflĂ€che ist unsichtbar. Sie ist fĂŒr den Computer. Die UnterflĂ€che kann der
Computer verÀndern, er kann sie manipulieren. Die OberflÀche hat diese Eigenschaft
nicht« (Nake 2008: 149).46 Die Differenzierung von OberflÀche und UnterflÀche dient
Nake dazu, die verschiedenen Interpretationsebenen zu unterscheiden, auf denen
Computer einerseits und Menschen andererseits mit digitalen Bildern operieren.
Der terminologische Vorschlag erweist sich nicht nur bei digitalen Bildern als sinn-
voll. Die Unterscheidung von OberflÀche und UnterflÀche lÀsst sich vielmehr auf
alle in Computern realisierten medialen Konstellationen anwenden.47
Menschen agieren und interpretieren auf der OberflÀche medialer Kon-
stellationen, wohingegen Computer auf deren UnterflÀche Signale prozessieren.
Zwar wird auf beiden Ebenen gleichermaĂen mit Zeichen umgegangen, aber
nicht auf die gleiche Weise. Dies erlÀutert Nake in Rekurs auf die Zeichentheorie
von Charles S. Peirce. WÀhrend sich auf der OberflÀche ein triadischer Zeichen-
prozess vollzieht, bei dem ReprÀsentamen, Objekt und Interpretant miteinander
46 | Da in der Medientheorie durchaus umstritten ist, ob Bilder grundsÀtzlich
Zeichen sind, ist anzumerken, dass die Unterscheidung von OberflÀche und Unter-
flÀche auch dann fruchtbar gemacht werden kann, wenn man sich auf kein zeichen-
theoretisches Vokabular stĂŒtzt (vgl. Wiesing 2005a: 17ff.). Von zentraler Bedeutung
ist weniger die von Nake konstatierte doppelte Zeichenhaftigkeit digitaler Bilder, als
die Beschreibung unterschiedlicher Ebenen der Interaktion, Manipulation und Trans-
formation medialer Konstellationen. Infolgedessen ist die Frage sekundÀr, ob sich
auf der OberflÀche und der UnterflÀche Zeichenprozesse vollziehen. Entscheidend
ist vielmehr die Einsicht, dass mediale Konstellationen im Kontext digitaler
Medientechnologien gleichzeitig auf zwei Ebenen existieren und demzufolge ebenso
an menschliche Interpretations- und Kommunikationspraxen anschlieĂen wie an
technische Verarbeitungslogiken.
47 | Sofern Bilder im Anschluss an Flusser als »bedeutende FlÀchen« (Flusser
1988: 9) verstanden werden, scheint der Begriffsvorschlag Nakes nahezulegen,
dass sich die Unterscheidung von OberflÀche und UnterflÀche auf Bilder bezieht.
Hiergegen spricht sich Nake jedoch explizit aus, wenn er feststellt: »Die prinzipielle,
nicht hintergehbare Doppelexistenz betrifft GegenstÀnde des Computers generell,
jedenfalls dann, wenn ihre Existenz auch uns bekannt gemacht werden soll« (Nake
2008: 149).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
- PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
- SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242