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Computer 101
Die Verkörperungen medialer Konstellationen auf der Oberfläche und in der
Tiefe stehen in einem variablen Verhältnis zueinander, das in der medialen Praxis
unter anderem durch Dateiformate stabilisiert wird. Dateiformate bewirken die
automatische Interpretation spezifischer Bitfolgen als Bild, Text, Video oder Musik-
stück. Sie koppeln Oberfläche und Unterfläche digitaler Medienprodukte relativ
strikt aneinander. Auch wenn es sich hierbei um eine Konvention handelt, ist diese
Kopplung von Oberfläche und Unterfläche medienpraktisch von großer Bedeutung,
da hierdurch nicht nur bedingt wird, wie digital codierte Informationen an der
Oberfläche präsentiert werden, sondern auch, an welche technischen Auswertungs-
und Verarbeitungsverfahren sie in der Tiefe des Computers angeschlossen werden
können. In den undifferenzierten Fluss digitaler Bitfolgen werden durch Datei-
formate mediale Unterschiede eingeführt. Diese ermöglichen, dass mediale Kon-
stellationen in der Tiefe des Computers als Bilder, Texte, Videos etc. verarbeitet
werden, indem Verfahren der Textanalyse, der Bildauswertung, der Videover-
arbeitung etc. auf diese angewandt werden. Oder anders formuliert: Algorithmische
Verfahren der automatisierten Verarbeitung und Analyse medialer Konstellationen
können theoretisch auf beliebige Bitfolgen angewendet werden; sie führen aber nur
dann zu brauchbaren Ergebnissen, wenn Bilddaten als Bilder, Textdaten als Texte,
Musikdaten als Musik usw. verarbeitet werden. Dementsprechend funktionieren
Gesichtserkennungsalgorithmen nur dann, wenn Bilddaten und nicht Textdaten
oder Musikdaten analysiert werden.
Hieran wird deutlich, dass im Kontext digitaler Medientechnologien Oberfläche
und Unterfläche medialer Konstellationen einerseits zwar tendenziell voneinander
entkoppelt sind, andererseits aber auch wechselseitig aufeinander angewiesen sind.
Dies zeigt sich auch bei alternativen Darstellungsmodi medialer Konstellationen,
wie z.B. bei Histogrammen von Bildern oder bei Wellendarstellungen oder Spektro-
grammen von MusikstĂĽcken, welche in Softwareanwendungen zur digitalen Bild-
und Tonbearbeitung eingesetzt werden.53 Bilder respektive Töne werden hierbei in
andere Präsentationsformen übersetzt, die sich für die Bild- und Tonbearbeitung
als nützlich erweisen. Ein Spektrogramm kann man nicht hören und einem His-
togramm kann man nicht ansehen, was das Bild zeigt. Dennoch sind diese Dar-
stellungsmodi an die jeweilige Ausdrucksform zurĂĽckgebunden. Es handelt sich
um Weisen der Präsentation von Audiodaten einerseits und Bilddaten andererseits,
denen im Kontext der digitalen Audiobearbeitung respektive der digitalen Bildbear-
beitung praktische Bedeutung zukommt. Der Status einer medialen Konstellation
bleibt von diesen alternativen Präsentationsformen unverändert, da sie als Bilder
oder als Töne verarbeitet werden.
53 | Die Version 7 der Audiobearbeitungssoftware WaveLab verfĂĽgt ĂĽber insgesamt
sieben verschiedene Anzeigeoptionen fĂĽr Audiodaten: VU-Anzeige, Spektroskop,
Oszilloskop, Bit-Anzeige, Phasenkorrelationsmesser, Spektrometer und Wellenform-
Anzeige; vgl. Steinberg (2010).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242