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Computer 103
die Bedingungen der Kopplung von materieller Verkörperung und phänomenaler
Präsentation bzw. von menschlichen und technischen Formen der Handhabung
medialer Konstellationen zu betrachten, sondern auch die Spielräume zwischen
Einem und Vielem, die sich im Rahmen der medialen Topologie des Computers
zwischen Oberfläche und Tiefe entfalten. Es erweist sich als bedeutsam, nach dem
Wechselverhältnis von Einem und Vielem im Kontext der Erstellung und Verfüg-
barmachung von Informationssammlungen mit Computern zu fragen.58 In diesem
Zusammenhang ist erstens festzustellen, dass die Unterscheidung von medialen
Konstellationen und Sammlungen medialer Konstellationen mit dem Aufkommen
digitaler Medientechnologien theoretisch und praktisch fließend geworden ist.
Daran schließen zweitens die Fragen an, wie die Einheit von Datensätzen, Texten,
Bildern etc. im Kontext von digitalen Sammlungen abgesichert wird und an
welche medialen Praktiken die versammelten Informationen hierdurch anschluss-
fähig werden. Eine umfassende und abschließende Antwort ist hier weniger das
Ziel, als vielmehr ein Problembewusstsein zu entwickeln, welches eine kritische
Positionierung gegenüber medien- und kulturwissenschaftlichen Diagnosen zu
digitalen Medien ermöglichen soll.
Die Aufhebung des prinzipiellen Unterschieds zwischen dem Einen und dem
Vielen wurde bereits im Hypertextdiskurs der 1980er und 1990er Jahre konstatiert.59
In Hypertexten weicht die Einheit des Texts der Vielheit von Textfragmenten
und Links sowie der Vielzahl von Lektüremöglichkeiten. Hierdurch findet die
im Kontext poststrukturalistischer Theorien konstatierte Auflösung der inneren
und äußeren Einheit von Texten ihre medienpraktische Bestätigung, wie George
Landow in Hypertext 2.0 herausgearbeitet hat: »[C]ritical theory promises to theo-
rize hypertext and hypertext promises to embody and thereby test aspects of theory,
particularly those concerning textuality, narrative, and the roles or functions of
reader and writer« (Landow 1992: 2).60
58 | Sammlungen verfügen eine große Faszinationskraft, wie Thomas Scholz in
seiner an Heideggers Fundamentalontologie angelehnten Spekulation über die
Geste des Sammelns herausgestellt hat: »Das Eine [...] ist des Erstaunens wohl
wert. Solch Eines ist gegenüber dem Keinen Alles. Ein Viel-Eines ist gegenüber
dem Einen schon staunend-erfassend-erfahrend ein Überwältigendes« (Scholz
2000: 3). Das Gefühl der Überwältigung, welches sich im Angesicht einer Sammlung
einzustellen vermag, ist im Zeitalter global vernetzter digitaler Medientechnologien
allzu bekannt.
59 | Dies zeigt sich auf paradigmatische Weise im Untertitel von Rainer Kuhlens
1991 erschienener Monographie Hypertext: Ein nicht-lineares Medium zwischen
Buch und Wissensbank. Demzufolge können Hypertexte weder als Eines (Buch) noch
als Vieles (Wissensbank) begriffen werden, sie sind dazwischen zu verorten.
60 | Mit der Transformation der Vorstellung vom Text verändern sich auch die
Konzeptionen des Autors, des Lesers sowie der Erzählung. Auch dies exemplifizieren
die digitalen Hypermedien nach Ansicht von Landow auf paradigmatische Weise, da
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242