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Als wichtiger Vorläufer digitaler Hypertextsysteme gilt die von Vannevar Bush
(1945) in As We May Think konzipierte interaktive Informationsmaschine, die er
Memory Extender oder kurz Memex taufte.61 Obwohl die Memex nie in der von
Bush beschriebenen Form realisiert wurde, diente sie als Inspirationsquelle für viele
Wegbereiter der digitalen Medienkultur wie z.B. Douglas Engelbart (1962), Ted
Nelson (1965) und J.C.R. Licklider (1965).62 Im Zentrum der Memex-Vision steht
sie sich den traditionellen Vorstellungen von Autorschaft und Leserschaft ebenso
widersetzen wie den verbreiteten Theorien des Erzählens; siehe hierzu die Kapitel 3
bis 6 in Landow (1992). In dem florierenden Diskurs um Hypertext und Hypermedien
der 1990er Jahre wurden diese Aspekte ausführlich diskutiert (siehe exemplarisch
Kuhlen 1991; Bolter 1997; Porombka 2001; Simanowski 2002; Wirth 2004, 2005a).
Im Zentrum der theoretischen Aufmerksamkeit standen dabei die multilinearen
Verknüpfungen zwischen medialen Konstellationen vermittels Hyperlinks, die Mög-
lichkeit zur Kombination unterschiedlicher medialer Ausdrucksformen (Text, Bild,
Film und Ton) in Multimedia-Anwendungen, die neuen Formen des kollektiven und
kollaborativen Schreibens, die nicht zuletzt durch das WWW ermöglicht wurden,
sowie der interaktive Umgang mit digitalen Medienobjekten.
61 | Bereits 1939 skizzierte Bush das Konzept der Memex, welches er in den Jahren
des Zweiten Weltkrieges weiter ausarbeitete und 1945 öffentlichkeitswirksam unter
dem Titel As We May Think publizierte. Ende der 1940er Jahre trug Bushs Text in der
US-amerikanischen Bevölkerung enorm zur Popularisierung der Idee technologisch
gestützter Informationsverarbeitung sowie der Utopie denkender Maschinen bei. As
We May Think hatte »an immediate impact« (Buckland 1992: 284), weshalb der Text
kurz nach dem erstmaligem erscheinen im Atlantic Monthly in einer gekürzten und
illustrierten Fassung in Life erneut abgedruckt wurde. Unter dem Titel A Machine
That Thinks rekapitulierte die Time zudem Bushs Ideen (vgl. Buckland 1992: 284).
Bushs frühe Entwürfe zur Memex sowie spätere Schriften zu dieser sind in dem von
Nyce und Kahn (1991) herausgegebenen Sammelband From Memex to Hypertext:
Vannevar Bush and the Mind’s Machine dokumentiert.
62 | In As We May Think verdichten sich der seit mehreren Jahrhunderten wäh-
rende Bibliotheksdiskurs und der im 19. Jahrhundert einsetzende Diskurses um
bürokratische Rationalisierung und Effizienz zur wegweisenden Vision einer inter-
aktiven Informationsmaschine, deren Beschreibung jedoch weitgehend ana logen
Technologien verhaftet blieb. Informationen werden in der Memex auf Mikro filmen
gespeichert und der Zugriff auf diese wird durch Kataloge gewährleistet. Tech-
nologisch weist die Memex also nicht in eine digitale Zukunft, sondern ver harrt in
einer Gegenwart, in der sich die künftige Existenz digitaler Technologien zwar bereits
abzeichnet, aber der Einsatz analoger Techniken zur Lösung des Informa tions-
problems realistischer erschien. Auf der Ebene der beschriebenen Techno logien
zeichnet Bush also das Bild einer analogen Zukunft, die, wie wir heute wissen, nicht
eintreffen sollte. Auch wenn die Formulierung der Memex-Vision aufgrund dessen
keine radikale Zäsur darstellt, hatte sie eine bleibende Wirkung als Katalysator
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242