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Digitale
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act of putting, depositing, but also the act of immobilizing, of giving something over
to a stabilizing immobility, and so to the statute, to the statutory and even state
institution, which alerts us to all the institutional, juridical, and political dimensions
that we must also debate. Setting down, laying down, depositing, storing, ware-
housing – this is also receiving, collecting together, gathering together, consig-
ning (like baggage), binding together, collecting, totalizing, electing, and reading by
binding. So the idea of gathering together, as much of the immobility of the statutory
and even state deposit, seems as essential to the idea of the book as to that of the
library.« (Derrida 2005: 6f.)
Die Bibliothek weist dem Buch einen Platz zu, sie ist Lager von BĂĽchern. Daher
stellt fĂĽr Derrida das Legen (Niederlegen, Hinlegen, Platzieren und damit auch
Ordnen) die zentrale bibliothekarische Operation dar, durch die das Gesammelte
immobilisiert und stabilisiert wird. Hierin koinzidieren Buch und Bibliothek, denn
beide lassen sich als Sammlungen begreifen, die das Versammelte immobilisieren,
es einem Gesetz oder Statut der Verwahrung unterwerfen, was ihnen eine gewisse
Stabilität verleiht.68 Diese Fixierung ermöglicht, wie Bruno Latour in einem anderen
Kontext festgestellt hat, die Mobilität des in Büchern respektive Bibliotheken Nie-
dergelegten. Im Akt des Legens entstehen »immutable mobiles« (Latour 2009: 132).69
Indem Derrida Buch und Bibliothek miteinander parallelisiert, zeigt er, dass
der theoretische Unterschied zwischen Einen und Vielen flieĂźend ist.70 Unter den
68 | Auch Foucault gebraucht den Begriff des Statuts, das seines Erachtens die
Identität von Aussagen und ihre Wiederholbarkeit gewährleistet; siehe auch Anmer-
kung 77 in diesem Kapitel.
69 | Latour hat den Begriff der immutable mobiles im Kontext der Science Studies
eingeführt. »Mobilität, Stabilität und Kombinierbarkeit« (Latour 2009: 127) sind die
charakteristischen Eigenschaften von immutable mobiles, die fĂĽr die Herstellung
wissenschaftlichen Wissens im Forschungsprozess entscheidend sind: »Wenn
man von seinem gewohnten Weg abweichen und schwer beladen zurĂĽckkehren
möchte, um andere dazu zu zwingen, ihre gewohnten Wege zu verlassen, besteht
das hauptsächlich zu lösende Problem in der Mobilisierung. Man muss fortgehen
und mit den ›Dingen‹ zurückkehren, wenn die Bewegungen nicht vergeblich sein
sollen; die ›Dinge‹ müssen aber in der Lage sein, die Rückreise zu überstehen,
ohne Schaden zu nehmen. Weitere Erfordernisse: Die gesammelten und verlagerten
›Dinge‹ müssen alle gleichzeitig denen präsentierbar sein, die man überzeugen
will und die nicht fortgegangen sind. Kurz: Man muss Objekte erfinden, die mobil,
aber auch unveränderlich, präsentierbar, lesbar und miteinander kombinierbar
sind« (Latour 2006: 266). Dies wird, wie Latour dargelegt hat, nicht zuletzt durch
Verfahren der Inskription gewährleistet (vgl. Latour 2006: 276ff.).
70 | Auch Manfred Sommer weist darauf hin, dass BĂĽcher als Sammlung konzep-
tualisiert werden können: »[E]in Buch ist, ganz materiell betrachtet, eine Sammlung
mit einem Behälter. Dieser besteht äußerlich aus zwei Deckeln und einem Rücken.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242