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Einschätzungen der Potenziale digitaler Computer führt wie zu fragwürdigen Be-
schreibungen der digitalen Medienkultur. In Das Ende der Schublade vertritt David
Weinberger beispielsweise die These, dass die Digitalisierung die Aufhebung der
Beschränkungen der physischen Welt bei der Organisation von Information er-
möglicht, da die einzige Form, auf die Daten festgelegt sind, die Unterscheidung
zweier Zustände sei.79 Im Zeitalter der Bits können Informationen, Weinberger
zufolge, in einem utopischen Zustand der Unordnung gehalten werden, der die
Herausbildung vielfältiger Ordnungen ermöglicht, ohne eine spezifische Ordnung
zu privilegieren: »Jetzt hat nicht mehr alles seinen festen Platz, sondern wir können
allen Dingen mehrere Plätze zugleich zuweisen« (Weinberger 2008: 17).80 Dies stellt
seines Erachtens einen bedeutsamen Fortschritt im Umgang mit Informationen
dar, da keine Wissensordnung der Komplexität der Wirklichkeit je gerecht werden
könne (vgl. Weinberger 2008: 207ff.).
An die Stelle einer privilegierten und umfassenden Ordnung fĂĽr Information
und Wissen tritt die kreative Unordnung der in der Tiefe des Computers
gespeicherten Informationen, die nach Ansicht Weinbergers die Voraussetzung fĂĽr
79 | Die digitalen Medientechnologien revolutionieren Weinberger zufolge den
Umgang mit und die Ordnung großer Informationsmengen: »Doch jetzt gibt es Bits!
Inhalte werden in Bits umgewandelt, und die Informationen ĂĽber sie bestehen
ebenfalls aus Bits. Das ist die dritte Ordnung der Ordnung, und sie kommt [...] mit
der Wucht einer Tonne Ziegelsteine über uns. Die dritte Ordnung hebt die Beschrän-
kungen bei der Organisation von Informationen auf, die wir bisher fĂĽr naturgegeben
gehalten haben« (Weinberger 2008: 22f.). Von der Organisation dritter Ordnung,
die sich im Computer realisiert, unterscheidet Weinberger die Organisationen
erster und zweiter Ordnung. Auf der ersten Ebene wird eine räumliche Ordnung von
Dingen hergestellt. Dabei kann jedem Objekt nur ein Platz zugewiesen werden: »In
dieser Ordnung der Ordnung organisieren wir die Dinge selbst – wir legen Besteck
in Schubladen, stellen Bücher auf Regale, kleben Fotos in Alben« (Weinberger
2008: 21). Eine Ordnung zweiter Ordnung überblendet die räumliche Anordnung
der Dinge, indem sie die Objekte symbolisch verdoppelt bzw. vervielfacht und sie
beispielsweise in Katalogen, Karteien o.ä. thematisch, zeitlich oder alphabetisch
organisiert. Die räumliche Anordnung von Dingen sowie ihre symbolische Ordnung
in Karteikästen ist nach Ansicht Weinbergers jedoch defizitär, wofür er folgende
Ursache identifiziert: »Die mit der Ordnung der ersten und zweiten Ordnung
verbundenen Probleme resultieren daraus, dass dabei Atome angeordnet werden«
(Weinberger 2008: 22). Dass auch Bits und Bytes nicht reine Information sind,
sondern einer materiellen Verkörperung bedürfen und damit letztendlich auch aus
Atomen bestehen, vernachlässigt der Autor.
80 | Unordnung stellte im vordigitalen Zeitalter ein Problem dar. Unter den
Bedingungen digitaler Computertechnologien wird Unordnung in den Augen von
Weinberger zur Tugend, da sie nicht dazu fĂĽhrt, dass die Nutzer im Informationschaos
versinken.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242