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Digitale
Datenbanken124
ganze Bibliotheken in Datenbanken gespeichert werden können. Auch den Modus
der Verarbeitung von Daten führt er als mögliches Definitionskriterium an. Nach
Ansicht von Licklider suggeriert der Begriff, dass es sich um Sammlungen von
Daten handelt, die maschinell prozessiert oder zumindest in einem System aus
Mensch und Maschine verarbeitet werden. Dennoch ist er sich unsicher, ob nicht
auch Datensammlungen als Datenbanken zu betrachten sind, die nur für die
menschliche Informationsverarbeitung intendiert sind. Die Antwort auf die Frage,
was genau mit der maschinellen Prozessierung der in der Datenbank gespeicherten
Daten gemeint ist, wo diese beginnt und wie weit sie reicht, bleibt Licklider jedoch
schuldig.
Vielleicht ist es weniger der von Licklider formulierten Forderung nach einer
Begriffsdefinition als der von ihm aufgezeigten assoziativen Offenheit des Daten-
bankbegriffs zu verdanken, dass im Rahmen der Konferenz über die Bedeutung des
Begriffs debattiert wurde. Das Ergebnis dieser Diskussion findet sich in einem von
E. W. Franks verfassten Bericht zur Arbeitssitzung »Criteria Influencing Data Base
Organization or Design« :
»1. A database is a set of files.
2. A file is an ordered collection of entries.
3. An entry consists of a key, or keys, and data.« (Franks 1964: 119)
Folgt man dieser Definition, dann besteht eine Datenbank aus einer Menge von so-
genannten files, die Sammlungen von geordneten Einträgen darstellen, wobei jeder
Eintrag mindestens einen Schlüssel und gegebenenfalls weitere Daten beinhaltet. In
Übereinstimmung mit der These, dass alte Medien als konzeptuelle Folie für neue
Medien dienen, rekurriert der entwickelte Definitionsvorschlag implizit auf Akten
als Medium der administrativen, juristischen und archivarischen Informations-
verarbeitung, wie Cornelia Vismann in ihrer medienhistorischen Studie zu Akten
herausgestellt hat:
»Das US-Militär wird Jahrhunderte später den Begriff ›Datenbank‹ medienhistorisch
präzise so definieren, dass darin die diachrone Entwicklung von Akten aus Registern
zu Indices enthalten ist. Aus Akten (files) werden Einträge/ Regesten (entries)
deduziert, die wiederum eine Doppelfunktion als Schlüssel und Daten (key and data)
übernehmen.« (Vismann 2001: 170f.)
Vismanns Hinweis auf den militärischen Entstehungskontext von Medientech-
nologien ist in Folge von Friedrich Kittlers These zu einem beliebten Topos der
Mediengeschichtsschreibung geworden. In Bezug auf die Entwicklung des Daten-
bankkonzepts sollte dies jedoch nicht überbewertet werden.14 Denn gleichwohl die
14 | Medientechnologien wie z.B. Grammophon, Film, Schreibmaschine und Compu-
ter sind nach Ansicht Kittlers Kriegstechnologien, weil sie in militärischen Kon-
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242