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Datenbank 135
Schließlich habe die Datenbank als Ausdrucksform auch im Bereich der Kunst
an Bedeutung gewonnen. Vor allem in der Medienkunst der 1990er Jahre findet
Manovich, der selbst auch künstlerisch tätig ist, Beispiele hierfür. Künstler wie
George Legrady, Chris Marker, Olga Lialina, Stephen Mamber und Fabian Wag-
mister setzen sich in ihren Arbeiten kritisch mit der Datenbanklogik auseinander,
kommentieren mit ästhetischen Mitteln die Effekte der Datenbankkultur und er-
proben neue Möglichkeiten des Umgangs mit Datenbanken (vgl. Manovich 2001:
221).36
Anderthalb Jahrzehnte nach der erstmaligen Publikation von Manovichs
Datenbankaufsatz erscheinen die Beispiele, die er anführt, um seine Charak te-
risierung der Datenbank als symbolischer Form der digitalen Medienkultur zu
plausibilisieren, etwas veraltet. Die Bedeutung von Multimedia CD-ROMs hat mit
der zunehmenden Popularisierung des WWW abgenommen und das traditionelle
Web wurde mittlerweile vom Web 2.0 abgelöst.37 Diese Entwicklungen stehen
Manovichs Beobachtungen jedoch keineswegs entgegen. Wenn Enzyklopädien
und Rezeptsammlungen auf CD-ROMs sowie persönliche Homepages und Web-
seiten von Fernsehsendern einer Datenbanklogik folgen, dann könnte Manovich
heute ebenso gut Wikipedia, Chefkoch.de, Facebook und YouTube als Belege für
den Bedeutungszuwachs der Datenbankform nennen.
Bemerkenswert sind die von Manovich aufgeführten Beispiele jedoch in
einer anderen Hinsicht: Sammlungen von Wissen (Enzyklopädien), Verweisen
(Telefonbücher, Bibliothekskataloge) oder Bildern (Museen) sind, wie er selbst zu-
gesteht, nicht erst mit dem Computer entstanden. Dementsprechend ist die Daten-
bankform kein Novum der digitalen Medienkultur. Dies anerkennend vertritt
Manovich die Überzeugung, dass sich unter den Bedingungen digitaler Medien-
technologien das Kräfteverhältnis zwischen Erzählung und Datenbank verschiebt:
»New media does not radically break with the past; rather, it distributes weight
differently between the categories that hold culture together, foregrounding what
is in the background and vice versa« (Manovich 2001: 229). Erzählung und Daten-
bank hat es als Ausdrucksformen also immer schon gegeben und beide haben, wie
Manovich herausstellt, stets miteinander konkurriert: »I prefer to think of them as
two competing imaginations, two basic creative impulses, two essential responses
to the world« (Manovich 2001: 234). Ebenso wie die Datenbankform bereits im vor-
36 | Beispiele für die künstlerische Auseinandersetzung mit Verfahren des Sam-
melns, Archivierens und Präsentierens von Sammlungen finden sich nicht nur im
Bereich der digitalen Medienkunst, wie z.B. Vesna (vgl. Vesna 2000a: 159f.) in ihrer
Analyse von Buckminster Fullers Chronofiles zeigt oder die Münchener Ausstellung
Deep Storage: Arsenale der Erinnerung belegt (Schaffner et al. 1997).
37 | Popularisiert wurde der Begriff des Web 2.0 von Tim O’Reilly (2005). In der
Folgezeit wurden vor allem die sozialen Aspekte der Vernetzung und Kollaboration
mit dem Begriff des Web 2.0 assoziiert. Daher ist in Bezug auf die Entwicklungen
des Semantic Web mitunter auch vom Web 3.0 die Rede.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242