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Digitale
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digitalen Zeitalter existierte, werden auch Narrative im digitalen Zeitalter weiterhin
Bestand haben. Was sich nach Ansicht Manovichs jedoch ändert, ist die Bedeutung,
die beiden Ausdrucksformen zukommt. Eine Ursache hierfĂĽr ist, dass digitale
Datenträger, wie z.B. Festplatten, CD-ROMs etc. seines Erachtens besonders emp-
fänglich für die Datenbankform sind: »digital storage media proved to be par-
ticularly receptive to traditional genres that already had a database-like structure,
such as the photo-album« (Manovich 2001: 220). Wenn die Datenbank im Zeit-
alter digitaler Medientechnologien Manovich zufolge zur dominanten Ausdrucks-
form wird, welche die Erzählung als privilegierten Modus kultureller Sinnstiftung
ablöst, was kennzeichnet die Datenbank im Vergleich zur Erzählung? Oder anders
formuliert: Was versteht Manovich als Datenbank?
Als Datenbank bezeichnet Manovich Sammlungen von Elementen, die keine
thematische oder formale Entwicklung durchlaufen. Die Elemente der Datenbank
haben keine feste Reihenfolge, sie stehen gleichberechtigt neben- oder untereinan-
der. Daher hat eine Datenbank auch keinen Anfang und kein Ende (vgl. Manovich
2001: 218). Sie ist eine Sammlung, welche die Welt, wie Manovich es ausdrĂĽckt, als
eine ungeordnete Liste von Elementen repräsentiert: »[T]he database represents the
world as a list of items, and it refuses to order this list. In contrast, a narrative creates
a cause-and-effect trajectory of seemingly unordered items (events). Therefore,
database and narrative are natural enemies« (Manovich 2001: 225).38 Während die
Erzählung ihre Elemente – verschiedene Ereignisse – in einem Ursache-Wirkungs-
zusammenhang anordnet, versperrt sich die Datenbank gegen eine (privilegierte)
Ordnung ihrer Elemente. Sie ist vielmehr Potenzial fĂĽr verschiedene Formen der
Präsentation von und des Umgangs mit den in der Datenbank enthaltenen Ele-
menten. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Manovichs Datenbankbegriff von
dem in der Informatik verbreiteten Verständnis von Datenbanken als strukturierte
Sammlungen von Informationen:
»In computer science, database is defined as structured collection of data. […] New
media objects may or may not employ these highly structured database models;
however, from the point of view of the user’s experience, a large proportion of
them are databases in a more basic sense. They appear as collections of items
on which the users can perform various operations – view, navigate, search. The
user’s experience of such computerized collections is, therefore, quite distinct from
reading a narrative or watching a film or navigating an architectural site.« (Manovich
2001: 218f.)
Indem Manovich die Nutzerperspektive in den Vordergrund rĂĽckt, verortet er die
Datenbank auf der phänomenalen Ebene der Benutzeroberflächen. Seines Erachtens
38 | Manovich legt nicht genauer dar, welche ästhetische und epistemische Funktion
die Liste als Ausdrucksform hat. Diese Fragen diskutiert Umberto Eco (2009) in Die
unendliche Liste.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242