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Banken, Basen, Reservoirs 151
Das Reden über und der Umgang mit Information bewegt sich zwischen der
Einheit eines abstrakten, aber unterbestimmten Informationsbegriffs und der
Vielfalt informationeller Praktiken, an denen Menschen ebenso wie Technologien
teilhaben. Als Ausgangspunkt für die Diskussion dieses Spannungsverhältnisses
dient die von Calvin N. Mooers – einem der geistigen Väter des Information
Retrieval – verfasste Spekulation über die Zukunft der Menschheit. Das Ziel der
Ausführungen zu Mooers ist es, am Kreuzungspunkt von bibliothekarischer und
technischer Informationsverarbeitung eine Perspektive auf den prekären Status des
Informationsbegriffs freizulegen, der diesem seit den 1940er Jahren innewohnt.
Ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schrieb Mooers als damals
27-jähiger Student der Mathematik und Physik am Massachusetts Institute of Tech-
nology einen kurzen Text, den er mit This is an inquiry into the fu ture of mankind
betitelte.4 Sich dem schwerwiegenden Problem der Zukunft der Menschheit wid-
mend, denkt Mooers über die Frage nach, ob Roboter5 in naher Zukunft alle Fähig-
keiten von Menschen übertreffen und sie infolgedessen überflüssig machen wer-
den. Auch wenn er nicht so weit gehen will, die bevorstehende Verdrängung von
Menschen durch die neuen digitalen Technologien zu behaupten, so war Mooers
davon überzeugt, dass Roboter imstande sein werden, eine Reihe von Aufgaben
besser zu erfüllen als Menschen: »The true use of robots will be for jobs that are not
fit for a human being« (Mooers 1946). Hierzu zählt er zum Beispiel die Vermitt-
lung von Telefongesprächen, die damals bei Anrufen im lokalen Ortsnetz der USA
bereits teilweise automatisiert war.6 Musste es für Mooers in Anbetracht dessen nur
Tendenzen pointiert zusammengefasst: »Wenn die Datenflut vorhandene Verarbei-
tungskapazitäten übersteigt oder die Datenknappheit einen im Dunkeln tappen
lässt, dann werden Daten zum Problem« (Gugerli 2007b: 7).
4 | Das unpublizierte Manuskript, welches auf den 14. Dezember 1946 datiert ist,
findet sich im Nachlass von Mooers im Charles Babbage Institute der University of
Minnesota, Minneapolis.
5 | Heute wäre wahrscheinlich eher von Computern als von Robotern die Rede. Als
Mooers seine Prognose verfasste, diente das Wort Computer jedoch noch nicht als
allgemeiner Sammelbegriff für die programmierbare Maschine, sondern bezeich-
nete den Gebrauch digitaler Technologien als Rechenmaschinen und damit eine
spezifische Verwendungsweise.
6 | Ein Verfahren zur automatischen Vermittlung von Telefongesprächen wurde
bereits 1889 von Almon Brown Strowger entwickelt. Die Automatisierung der Telefon-
vermittlung war jedoch ein langwieriger Prozess (vgl. Flichy 1994: 197ff.). Hiervon
zeugt beispielsweise der Ende der 1920er Jahre von der American Telephone &
Telegraph Corporation produzierte Lehrfilm »How to Use the Dial Phone« (1927), der
die Telefonkunden über den richtigen Gebrauch von Selbstwahltelefonen instruierte.
Die Möglichkeiten zur Direktwahl beschränkten sich zunächst auf Gespräche im
örtlichen Telefonnetz. Das Direct Distance Dialing, also die automatische Vermittlung
von Ferngesprächen, war in den USA erst ab 1951 möglich (Dempewolff 1951).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242