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Banken, Basen, Reservoirs 153
entlocken. Daher ist Mooers’ Spekulation in erster Linie als Bild einer möglichen
Zukunft ernst zu nehmen, in dem das zum Ausdruck kommt, was in den 1940er
Jahren als realisierbar erachtet wurde. Zukunftsvisionen wie die von Mooers sind
nicht an einer künftigen Gegenwart zu messen, sondern sind Spiegel der Zeit, in der
sie entstanden sind.10
Was Mooers’ Vision zu erkennen gibt ist – in einem gänzlich unemphatischen
Sinn – der Zeitgeist, dem zufolge es damals möglich erschien, dass Computer in
naher Zukunft in der Lage sein würden, unterschiedlichste Aufgaben zu erfüllen,
die vom Kohleabbau bis zur Geschichtsschreibung reichen. Auf die Frage, worin
dieser Glaube an die Computertechnik gründet, findet sich in Mooers’ Text eine
bemerkenswert konzise Antwort: Computer sind dazu prädestiniert, derart hete-
rogene Funktionen zu erfüllen, weil es sich bei diesen gleichermaßen um Probleme
der Informationsverarbeitung handelt:
»These are all tasks of assembling immensely complicated masses of varied infor-
mation, bringing a system out of the disorder, and then constructing an enginee-
ring solution, i.e. the best solution in view of the facts and of the requirements.«
(Mooers 1946)
Die Überzeugung, dass Computer der Sammlung, Speicherung und Verarbeitung
von Informationen dienen, gründet auf einem generalisierten, begrifflich abstrakten
und ontologisch reifizierten Informationskonzept, mit dessen Herausbildung heute
vor allem die Namen Claude E. Shannon und Norbert Wiener in Verbindung
gebracht werden (vgl. Hayles 1999: 50ff.).
Bereits Ende der 1930er Jahre setzte sich Shannon mit diversen Problemen der
technischen Nachrichtenübertragung auseinander, was 1948 schließlich in der
Publikation der Mathematical Theory of Communication mündete.11 Zwar standen
10 | Dies bringt Geoffrey Nunberg zum Ausdruck, wenn er schreibt: »Nothing betrays
the spirit of an age so precisely as the way it represents the future« (Nunberg 1996:
103). Die Wahl des Worts betray ist bemerkenswert, da es doppeldeutig ist und
sowohl den Verrat von etwas (wie z.B. Geheimnisverrat) als auch den Verrat an
etwas (wie z.B. Betrug) meinen kann. Hieraus ergeben sich zwei unterschiedliche
Lesarten. Spiegeln Zukunftsdarstellungen in zeitlich diachroner Perspektive wider,
was zu einer Zeit als möglich erachtet worden ist, erscheinen sie in einer synchronen
Betrachtungsweise als Symptome eines (Selbst-)Betrugs, der auf seine Ursachen,
seine Ziele und seine Politik hin zu befragen ist.
11 | Wie Axel Roch in der 2010 erschienenen Monographie über das Leben und
Werk Shannons zeigt, hat Shannon im Februar 1939 in einem Brief an seinen
Mentor Vannevar Bush sein Interesse bekundet, sich mit den Grundlagen der Kom-
munikationstheorie auseinanderzusetzen (vgl. Roch 2010: 37). Zur Genese von
Shannons Informationstheorie und ihren medientheoretischen Implikationen siehe
auch Schüttpelz 2002a, 2003.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242