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während des Zweiten Weltkriegs die militärischen Probleme der Geheimkom-
munikation sowie der Fernsteuerung von Flugabwehrsystemen im Vordergrund
von Shannons Arbeiten, nach 1945 ĂĽbersetzte er seine Forschungsergebnisse
jedoch zunehmend in den zivilen Kontext.12 Die Frage der möglichst effizienten
Geheimhaltung von Informationen im Zuge ihrer technischen Ăśbertragung wich
dem Problem der möglichst effizienten technischen Übertragung von Informati-
onen in einem gegebenen Kommunikationskanal (vgl. Hagemeyer 1979: 430ff.). Im
selben Jahr wie Shannons mathematische Kommunikationstheorie erschien auch
Norbert Wieners Kybernetik, ein weiterer grundlegender und wirkmächtiger Text,
in dem ein generalisiertes Informationskonzept propagiert wird. »Information ist
Information«, schreibt Wiener darin, »weder Materie noch Energie« (Wiener 1968
[1948]: 166).
Dass der Student Mooers seine Spekulation ĂĽber die Zukunft der Mensch-
heit bereits zwei Jahre vor dem Erscheinen dieser späteren Gründungstexte der
Informationstheorie verfasst hat, ist ein Indiz dafĂĽr, dass ein allgemeines und abs-
traktes Informationskonzept bereits verbreitet war.13 »Information lag«, um eine
Formulierung von Thomas Haigh aufzugreifen, »in der Luft« (Haigh 2007: 60), als
Mooers ans MIT kam, wo er eigenen Angaben zufolge einen Vortrag Shannons
besuchte und dessen Informationstheorie kennenlernte (vgl. Corbitt 1993: 9).14
12 | Diese sowohl militärische als auch zivile Anschlussfähigkeit von Fortschritten
auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik und der Nachrichtentheorie ist, so Roch,
charakteristisch fĂĽr die Forschungen in den Bell Labs, an denen Shannon seit 1941
tätig war: »Die Bell Labs verwandelten seit 1940 Prinzipien der Kommunikation
in Feuerleitung, seit 1945 hingegen Prinzipien der Feuerleitung in Kommunikation.
Das Bell System forschte nicht binär oder digital, sondern dual, militärisch und
zugleich – wenigstens potentiell – auch zivil« (Roch 2010: 154). Möglich war diese
doppelte Ausrichtung der Forschungen, weil das militärische Streben nach Geheim-
kommunikation und die zivile Kommunikationsforschung sich demselben Problem
zuwandten, gleichwohl unter verschiedenen Vorzeichen: »Aus Sicht des Empfängers
sind Kryptographie und Kommunikation fast identisch: Aus einem mit Rauschen
gemischtem Signal wird eine gesendete Botschaft ermittelt. [...] Aus der Sicht
des Senders sind beide Verfahren verschieden: Kryptographie fĂĽhrt Rauschen als
Verschlüsselung bereits im Sender ein, im Fall von Kommunikation stört Rauschen
erst im Kanal« (Roch 2010: 105).
13 | Durch seine Tätigkeit am Naval Ordnance Laboratory zwischen 1941 und
1946, wo er an dem von John Vincent Atanasoff geleiteten, aber später unvoll-
endet eingestellten Computerprojekt mitwirkte, war Mooers mit den aktuellen Ent-
wicklungen im Bereich digitaler Computertechnologien bereits vor Aufnahme seines
Masterstudiums vertraut (vgl. Mooers 2001).
14 | Aus Mooers’ Nachlass lässt sich nicht genau rekonstruieren, ob seine Spe-
kulation ĂĽber die Zukunft der Menschheit direkt von Shannons Vortrag inspiriert
wurde. Auch ein Interview mit Calvin und Charlotte Mooers aus dem Jahr 1993
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242