Page - 157 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
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Banken, Basen, Reservoirs 157
geforderte Pluralität verschiedener Informationsbegriffe in der technischen Praxis
und der wissenschaftlichen Forschung durchaus fortbesteht, wurde sie von einer
diskursiv imaginierten Einheit von Information und des Informationsbegriffs
überlagert, welche im Zentrum der von Geoffrey Bowker als information mythology
bezeichneten Überzeugung steht, dass das Universum grundlegend aus Information
besteht:
»In the story that we are looking at, ›information‹ can travel anywhere and be made
up of anything. Sequences in a gene, energy levels in an atom, zeros and ones in a
machine and signals from a satellite are all ›information‹ and are thus subject to the
same laws. If everything is information, then a general statement about the nature
of information is a general statement about the nature of the universe.« (Bowker
1994: 233).
Bowker, der sich für die narrativen und praktischen Bedingungen interessiert,
unter denen eine solche Annahme wahr wird oder zumindest in einer bestimmten
Periode als wahr erscheint, findet bereits in den Schriften von Charles Babbage
Grundzüge der Informationsmythologie vorgezeichnet.17 Kennzeichnend ist für ihn
dabei nicht der abstrakte Informationsbegriff, sondern das Verschwinden der infra-
strukturellen Bedingungen bzw. Voraussetzungen hinter einer abstrakten Idee (von
Wissen, Information, Determiniertheit oder Berechenbarkeit). Diese erscheint fort-
an als natürliches Prinzip oder universelle Gesetzmäßigkeit, welche das Universum,
Gesellschaften, Menschen, Ökonomien etc. bestimmt.18 Auch wenn in Bowkers
Studie dem Aufkommen des abstrakten Informationsbegriffs seit den 1940er
account for the numerous possible applications of this general field« (Shannon
1953: 105).
17 | Objektive Information existiert Bowker zufolge nicht an sich, sondern ist Effekt
einer Objektivierung, für deren Bedingungen er sich interessiert: »Information
mythology [...] describes an integral part of the economic process of ordering social
and natural space and time so that ›objective‹ information can circulate freely. The
global statement that everything is information is not a preordained fact about the
world, it becomes a fact as and when we make it so« (Bowker 1994: 245).
18 | Bowker macht es sich zum Ziel, die in den Hintergrund gerückten infrastruk-
turellen Bedingungen in den Vordergrund zu rücken. Dieses Vorgehen bezeichnet er
als infrastrukturelle Inversion. In Sorting Things Out beschreibt Bowker gemeinsam
mit Susan Leigh Star diese Inversion als »struggle against the tendency of
infrastructure to disappear (except when breaking down). It means learning to look
closely at technologies and arrangements that, by design and by habit, tend to fade
into the woodwork […]. Infrastructural inversion means recognizing the depths of
interdependence of technical networks and standards, on the one hand, and the
real work of politics and knowledge production on the other. It foregrounds these
normally invisible Lilliputian threads« (Bowker/Star 2000: 34).
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242