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Banken, Basen, Reservoirs 159
abstrakten Informationsbegriff in einem gewissen Spannungsverhältnis.20 Denn ob-
wohl sich der Informationsbegriff diskursiv zunehmend verselbstständigte, indem
seine Bedeutung von den Gebrauchskontexten abstrahiert wurde, situiert sich der
Diskurs über Information im Kontext einer Vielzahl informationeller Praktiken,
konkreter Problemzusammenhänge und technischer Informationssysteme, wie z.B.
der Geheimhaltung von Kommunikation, der Optimierung der Kanalkapazität,
der Raketenlenkung, der bibliothekarischen Versammlung und Verwaltung von
Dokumenten, dem Management von Unternehmen, dem World Wide Web, Inter-
netsuchmaschinen, medizinischen und Gendatenbanken etc.
In Informationssystemen realisiert sich Information nie als eine losgelöste, abs-
trakte Entität. Im Gegenteil, Informationssysteme bedingen, was als Information
zur Erscheinung kommt, als solche adressiert, gesucht, gefunden und verarbeitet
werden kann. In Anbetracht dessen stellt die abstrakte Vorstellung von Information
ein uneingelöstes Versprechen oder eine Wunschkonstellation dar. Nur in konkreten
informationellen Praktiken wird von Informationen Gebrauch gemacht, werden sie
erzeugt, gespeichert und verarbeitet. Doch auch wenn das Versprechen abstrakter,
reifizierter Information uneingelöst bleibt, besteht es als Imaginäres diskursiv fort,
was die Entwicklung immer neuer Medientechnologien anspornt und zu neuartigen
Problemlösungsansätzen, aber auch zu neuen Problemen führt. Computer sind, wie
Hartmut Winkler in seiner Studie Docuverse eingewandt hat, nicht nur als konkrete
Medientechnologien, sondern auch als Wunschmaschinen zu betrachten, an denen
sich Wunschkonstellationen formieren und durch die sich Wünsche und Utopien
perpetuieren (vgl. Winkler 1997a: 11ff.).
Deutlich wird das Wechselspiel zwischen abstraktem Informationsbegriff und
partikularen Gebrauchskontexten, wenn man die späteren Arbeiten von Mooers
betrachtet. Seine Spekulation über die künftigen Einsatzgebiete von Computern
steht am Anfang seiner Karriere, die der Entwicklung von Informationstechnolo-
gien gewidmet sein sollte. Der Kontext, in dem sich die Arbeit von Mooers situiert,
ist die Versammlung, Speicherung und Abfrage von bibliographischen Informa-
tionen. Wie Mooers Anfang der 1990er Jahre rekapitulierte, inspirierte ihn Shannon
zu seiner Arbeit im Bereich des Information Retrieval (Corbitt 1993: 9), einem
Forschungsgebiet, dem Mooers im März 1950 auf einer Tagung der Association
for Computing Machinery (ACM) seinen Namen gab, und welches er im Herbst
desselben Jahres auf dem International Congress of Mathematicians folgenderma-
ßen definiert hat: »The problem of directing a user to stored information, some of
20 | Mit dieser Formulierung wird an die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) Bruno
Latours angeschlossen, der in seinen wissenschaftssoziologischen Studien immer
wieder auf die Verflechtung von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren
hingewiesen hat (vgl. Latour 2002: 111ff.). An anderer Stelle beschreibt Latour die
ANT als Wissenschaft, welche eine Welt demonstriere, »die aus Verkettungen von
Mittlern besteht, wo von jedem Punkte gesagt werden kann, daß er agiert« (Latour
2007b: 103f.).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242