Page - 162 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
Image of the Page - 162 -
Text of the Page - 162 -
Digitale
Datenbanken162
Informationsbegriff und konkreten Informationssystemen klafft eine theoretische
Leerstelle, die praktisch immer wieder gefüllt werden muss.23
Ungeachtet Mooers’ berechtigter Bedenken gegenüber der Eignung der damals
verfügbaren Computer für das Information Retrieval, traute man ihnen nicht nur
in wissenschaftlichen und technischen Kontexten bereits einiges zu. In Büchern,
Magazin- und Zeitungsartikeln sowie in Fernsehsendungen wurden die Möglich-
keiten von Computern verhandelt und Überlegungen über die Zukunft des Menschen
in computerisierten Gesellschaften angestellt. So wurde die Bevölkerung der USA
seit den ausgehenden 1940er Jahren vermittels populärer Massenmedien immer
wieder mit den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Computertechnologie
vertraut gemacht und über die erhofften Leistungen künftiger Computersysteme
informiert (Vgl. Malone 2002: 16f.).24 Auch Hollywood nahm sich rasch des Themas
an. Im Jahr 1957 erschien der Film Desk Set (Regie: Walter Lang), der sich als einer
der ersten, wenn nicht sogar als der erste (Hollywood-)Film mit den Hoffnungen
und Ängsten auseinandersetzte, die man dem »Electronic Brain« entgegenbrachte.25
23 | Die Unterbestimmtheit des abstrakten Informationsbegriffs findet ihren
Widerhall in dem unterminologischen Gebrauch des Begriffs in der Alltagssprache,
den Konitzer konstatiert: »Wir gebrauchen den Ausdruck ›Information‹ in der All-
tagssprache gewöhnlich unterminologisch. Das gilt auch dort, wo er Spuren seiner
Herkunft aus der mathematischen Informationstheorie an sich trägt. Wir bezeich-
nen durch ihn entweder einen Vorgang – die Tatsche, daß jemand etwas Neues
erfährt, daß er eine Einsicht, ein Wissen gewinnt, daß ihm etwas mitgeteilt wird
– oder dasjenige, was ihm mitgeteilt wird: die Information als den Inhalt der
Mitteilung, als das Mitgeteilte. Würde man uns weiter darum bitten, den Vorgang
der Benachrichtigung genauer zu beschreiben, so würden wir davon sprechen, daß
etwas jemanden (einen Empfänger) erreicht oder von ihm verstanden wird. Und
würde man uns danach fragen, was das ist, die Nachricht, so würden wir vermutlich
zwei Kandidaten nennen, die aber nur gemeinsam auftreten können: den materiellen
Träger der Nachricht, und das, was dieser irgendwie vermittelt, nämlich ein Wissen«
(Konitzer 2006: 326).
24 | Diesbezüglich stellt Malone fest: »[T]he coverage of developments in the
nascent computer industry in popular magazines and on television reached mass
audiences that no researcher could. Over the course of the 1950s, newspapers and
periodicals slowly increased their coverage of new technology developments and
tracked installations of giant brains in various government and commercial settings«
(Malone 2002: 16). Dominant war die Vorstellung vom Computer als elektronischem
Gehirn, welche sich nicht zuletzt aus der konzeptuellen Verbindung von Computertech-
nologie und Kybernetik ergab. Doch auch Alan Turings Überlegungen zu maschineller
Intelligenz und der von ihm vorgeschlagene Turing Test trugen zur Parallelisierung
von Geist und Computer bei (vgl. Turing 1987 [1950]).
25 | Die vom Charles Babbage Institute herausgegebene Filmliste »Hollywood &
Computers« nennt Desk Set als den ersten Film, in dem sich Hollywood Computern
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242