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Luhmann ist es möglich, mit seinem Zettelkasten in Kommunikation zu treten,
weil er als Autor respektive Betreiber von ihm überrascht werden kann. Dies ist
dann der Fall, wenn der Zettelkasten über ausreichend Eigenkomplexität ver-
fügt. Ist dies nicht gegeben, dient er nur als Nachrichtencontainer, aber nicht als
Kommunikationspartner: »Der Zettelkasten braucht einige Jahre, um genügend
kritische Masse zu gewinnen. Bis dahin arbeitet er nur als Behälter, aus dem man
das herausholt, was man hineingetan hat« (Luhmann 1981: 226). Doch durch Zeit
allein entwickelt kein Zettelkasten Komplexität. Diese entsteht vielmehr durch die
interne Funktionslogik, gemäß der der Zettelkasten betrieben wird. Von zentraler
Bedeutung ist für Luhmann die Aufgabe der thematischen Ordnung der Notizen,
die durch die feste Adressierung der Zettel ersetzt wird:
»Für das Innere des Zettelkastens, für das Arrangement der Notizen, für sein
geistiges Leben ist entscheidend, daß man sich gegen eine systematische Ordnung
nach Themen und Unterthemen und statt dessen für eine feste Stellordnung ent-
scheidet. [...] Diese Strukturentscheidung ist diejenige Reduktion der Komplexität
möglicher Arrangements, die den Aufbau hoher Komplexität im Zettelkasten und
damit seine Kommunikationsfähigkeit erst ermöglicht.« (Luhmann 1981: 223f.)
Durch die Entscheidung für eine unthematische Stellordnung wird zunächst der
Frage aus dem Weg gegangen, wo neue Zettel einzuordnen sind. Dies stellt in
thematisch geführten Zettelkästen insbesondere immer dann ein Problem dar,
wenn einem Zettel mehr als nur ein thematischer Ort zugewiesen werden kann.
Erlaubt das Fehlen einer thematischen Ordnung im Zettelkasten einerseits dessen
beliebige Erweiterbarkeit, wird der thematische Zugriff auf den Kasten hierdurch
erschwert, was es, so Luhmann, notwendig macht, ein Register zu führen. Schließ-
lich ermöglicht die feste Adressierung den Aufbau einer internen Verweisstruktur,
wodurch im Zettelkasten ein komplexes Netzwerk thematischer Querverweise bzw.
Links zwischen einzelnen Zetteln entstehen kann (vgl. Luhmann 1981: 224).59
Es gilt abschließend hervorzuheben, dass es sich hierbei um die Beschreibung
einer analogen Datenbank handelt. Denn die Struktur des Zettelkastens lässt sich,
Nachricht zugeschrieben, ist Information im systemtheoretischen Verständnis ein
»innersystemisches Ereignis« (Luhmann 1981: 222). Dass dies eine nicht unerheb-
liche Transformation von Shannons Informationskonzept darstellt, macht Luhmann
jedoch nicht deutlich.
59 | Der Verweisstruktur zwischen den einzelnen Zetteln wird von Luhmann ein zent-
raler Stellenwert beigemessen: »Jede Notiz ist nur ein Element, das seine Qualität
erst aus dem Netz der Verweisungen und Rückverweisungen im System enthält. Eine
Notiz, die an dieses Netz nicht angeschlossen ist, geht im Zettelkasten verloren,
wird vom Zettelkasten vergessen. Ihre Wiederentdeckung ist auf Zufälle angewiesen
und auch darauf, daß dieser Wiederfund im Moment des Vorfalls zufällig etwas
besagt« (Luhmann 1981: 225).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242