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dieselben Informationen sind, wird bedingt durch die in und mit Medien vollzogene
Trennung von Genesis und Geltung. Information ist Medien gegenüber nicht
autonom, sondern verdankt ihre Autonomie den Medien, weshalb sich unter den
Bedingungen medialer Umbrüche die Kriterien der Selbigkeit von Informationen
verändern und verschieben können.
Medientheorie eröffnet hierbei den Blick auf die Kontingenz der Unterscheidung
zwischen Demselben und Unterschiedlichem.69 So hat Matthew Kirschenbaum
beispielsweise auf die Herausforderungen hingewiesen, welche neue Formen
elektronischer Literatur für die historischen Textwissenschaften darstellen (vgl.
Kirschenbaum 2008: 27f.). Was in archivarischer und philologischer Hinsicht
denselben digitalen Text darstellt, ist seinen Ausführungen zufolge bisher keineswegs
ausgemacht. Verfällt man einem Bildschirmessentialismus, dann läuft man Gefahr,
digitale Literatur am Modell des Buchs zu behandeln und sie auf dieses Modell zu
reduzieren.70 Dagegen spricht sich Kirschenbaum dezidiert aus, indem er in exem-
plarischen, zwischen der Bildschirmoberfläche und unterschiedlichen Codeebenen
hin- und herwechselnden Analysen digitaler Medienobjekte Bedeutungsebenen
freilegt, die dem ausschließlich auf dem Bildschirm verharrenden Blick verborgen
bleiben.71
Dass Medien, wie von Floridi konstatiert, für die philosophische Analyse von
Information keinen Unterschied machen, ist damit grundlegend infrage zu stellen.
Dennoch erweist sich das von Floridi vorgeschlagene informationstheoretische
Vokabular für die medientheoretische Analyse von Datenbanken als anschluss-
fähig. Insbesondere erlaubt es seine Unterscheidung verschiedener Typen von
Information, unterschiedliche Niveaus freizulegen, auf denen Computer mit Daten
respektive Informationen operieren. Diesem Aspekt wird sich das folgende Teil-
kapitel widmen. Darauf aufbauend werden unterschiedliche Bedeutungsvarianten
Eine Gegenposition zu Floridi nimmt beispielsweise Cornelius ein, der sich für die
Einbeziehung sozialer Aspekte bei der Konstruktion von Bedeutung sowie für die
systematische Betrachtung der Empfängerseite von Informationen stark macht
(vgl. Cornelius 2004: 385). Diesem Einwand zufolge sind situative Faktoren der
Rezeption, wie z.B. die durch die Art der Verkörperung von Information bedingte
Rezeptionssituation, nicht zu vernachlässigen.
69 | Welche Informationen beispielsweise eine Fotografie enthält und ob diese mit
den Informationen überstimmen, die eine andere Fotografie beinhaltet (oder nicht),
wird auf Grundlage anderer Kriterien entschieden als bei Büchern.
70 | Geprägt wurde der Begriff des screen essentialism von Nick Montfort, der mit
diesem kritisiert, dass viele Literaturwissenschaftler bei ihrer Auseinandersetzung
mit elektronischer Literatur allein die Oberfläche thematisieren (vgl. Montfort 2004).
71 | In Mechanisms analysiert Kirschenbaum (2008) das Spiel Mystery House aus
dem Jahr 1980 sowie das gemeinsame Kunstprojekt des Verlegers Kevin Begos Jr.,
des Künstlers Dennis Ashbaugh und des Science Fiction-Autors William Gibson, das
diese 1992 unter dem Titel Agrippa: A Book of the Dead veröffentlichten.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242