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Digitale
Datenbanken202
nie bloß gegeben sind, machen sie aber als Gegebenes verfügbar und damit zum Re-
servoir vorhandener Information sowie zur Basis für neue Information. Daher sind
Datenbanken zugleich Produkt (Gemachtes) von und Ausgangspunkt (Gegebenes)
für informationelle Praktiken, sie bewegen sich in dieser Hinsicht zwischen me-
dialer Konstellation und medialer Konfiguration.
Die informationelle Umwelt digitaler Informationen
Will man die mediale Logik digitaler Datenbanken verstehen, dann gilt es nicht nur
die unterschiedlichen Formen von Informationen respektive Daten zu unterscheiden,
die in Datenbanken enthalten sind, sondern auch danach zu fragen, wie diese ver-
waltet und verarbeitet werden. Zu bedenken ist dabei, dass die algorithmische Aus-
wertung gespeicherter Informationen potenziell zu neuen Informationen führen
kann, dass im Umgang mit Computern ständig neue (Gebrauchs-)Informationen
erzeugt werden und dass die Verwaltung sowie Verarbeitung von Informationen
in und mittels digitaler Medientechnologien häufig auf Zusatzinformationen
angewiesen ist. Diese bilden die informationelle Umwelt digitaler Informationen.
Aus den Informationen, die auf digitalen Datenträgern gespeichert vorliegen,
können mithilfe von Algorithmen vielfältige Informationen abgeleitet werden.
Beispielsweise lässt sich das Alter einer Person nach einfachen Regeln berechnen,
wenn ihr Geburtsdatum bekannt ist. Diese nicht unmittelbar in Datenbanken
gespeicherten Informationen lassen sich als virtuelle Information begreifen. Bereits
1974 haben Folnius et al. darauf hingewiesen, dass die alleinige Betrachtung
physisch verkörperter Informationen beim Entwurf von Datenbanksystemen zu
kurz greift, denn »physically recorded data is only one point within a spectrum
of ways to obtain information« (Folnius et al. 1974: 3). Um virtuelle Information
handelt es sich ihrer Ansicht nach dann, wenn gespeicherte Daten algorithmisch
ausgewertet werden. Damit besetzen virtuelle Informationen einen Zwischenraum,
zwischen gespeicherten Informationen einerseits und reinen Programmen anderer-
seits. An dieser Stelle setzt auch das Data Mining an, welches darauf abzielt, durch
mathematische Verfahren der Mustererkennung neue Informationen zu entdecken
(vgl. Cios 2010: 255ff.). Erkenntnisse werden hierbei nicht aus einzelnen in der
Datenbank enthaltenen Informationen abgeleitet, sondern aus der Analyse des ge-
samten Informationsbestandes. Unter dem Stichwort »Data finds Data« beschreiben
Jeff Jonas und Lisa Sokol (2009) einen weiteren Typus virtueller Informationen, der
die impliziten Verknüpfungen zwischen einzelnen Datensätzen betrifft. Als Beispiel
nennen die Autoren das Informationssystem eines Kasinobetreibers. Werden dem
System die persönlichen Daten eines entlarvten Trickbetrügers hinzugefügt, gilt es
mögliche Verbindungen zum Personal zu beachten, um auszuschließen, dass der
Betrüger einen Komplizen unter den Angestellten hat. Findet sich in der Personal-
datenbank ein Eintrag mit derselben Adresse oder der gleichen Telefonnummer,
dann besteht zwischen dem Betrüger und einem der Beschäftigten eine Verbindung,
die aus den Daten abgeleitet werden kann (vgl. Jonas/Sokol 2009: 108f.).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242