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Kopfzerbrechen bereitete die Gewährleistung von Datenunabhängigkeit jedoch
nicht nur in technischer Hinsicht. Unklar war zunächst, was genau mit Daten-
unabhängigkeit gemeint sei. Da die Datenbankforschung zu dieser Zeit »more an
empirics than a theory« (Liu 2008: 250) war, erwuchs die Forderung nach Daten-
unabhängigkeit nicht aus einem präzise formulierten theoretischen Problem,
sondern aus einer Vielzahl unterschiedlicher praktischer Aufgabenstellungen.17
Datenunabhängigkeit war daher zunächst kaum mehr als eine Modewort, das sehr
uneinheitlich gebraucht wurde, weshalb Bachman 1974 kritisch konstatierte, der
Begriff sei einer der »least precise terms now extant in the Database Management
field« (Bachman 1974: 19).18 Ungeachtet dieser Kritik verdichteten sich in dem mehr-
deutigen Gebrauch des Begriffs die vielfältigen Probleme der computertechnischen
Handhabung groĂźer Informationssammlungen zu einer programmatischen Ent-
wicklungsaufgabe.
Im Hintergrund der Forderung nach Datenunabhängigkeit stand der öko-
nomisch motivierte Wunsch, die Gebrauchslogiken von Informationen und die
technische Logik ihrer Verwaltung voneinander zu entkoppeln und beide gegen-
einander abzuschirmen.19 Edgar F. Codd hat dieses Ziel in dem 1970 publizierten
Entwurf des relationalen Datenmodells in der Forderung auf den Punkt gebracht:
»Future users of large data banks must be protected from having to know how the
data is organized in the machine (the internal representation)« (Codd 1970: 377). Der
Einsatz von Computern in ökonomischen, militärischen und wissenschaftlichen
Kontexten war in den 1960er und 70er Jahren noch immer sehr zeitaufwendig
und kostspielig. Software im heutigen Sinne gab es noch nicht (vgl. Haigh 2002).
Nahezu alle Computerprogramme mussten von den Nutzern selbst implementiert
werden und waren zumeist nicht auf anderen Computern oder Computersystemen
17 | Auch Haigh weist darauf hin, dass die Entwicklung von Datenbanktechnologien
zunächst weniger ein akademisches Unterfangen war: »[D]atabase tools evolved
from the daily work of the data processing staff, grappling with tight schedules and
working intimately with simple hardware to tackle ambitious assignments« (Haigh
2009: 6).
18 | Bachmans Diagnose ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass
während dieser Zeit eine Vielzahl unterschiedlicher und vor allem unklarer Termino-
logien im Datenbankdiskurs virulent waren. Symptomatisch hierfĂĽr ist die Bemerkung,
mit der Albert C. Patterson 1971 einen Vortrag zu DBMS einleitete:»Each data base
presentation offers a distinct new jargon to our already over-developed Tower of
Babel and it is not at all clear that this presentation will violate that rule« (Patterson
1971: 197).
19 | Die so verstandene Datenunabhängigkeit ist ein zentrales Leistungsmerkmal
heutiger DBMS, wie Haigh unterstreicht: »Eine der wichtigsten Eigenschaften des
Datenbankmanagementsystems besteht darin, die Personen und Programme, die
diese Daten benutzen, von den Details ihrer physischen Speicherung abzuschirmen«
(Haigh 2007: 57).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242