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Techno-Logik 235
eine weiterfĂĽhrende medientheoretische Auseinandersetzung mit Datenbanken
grundlegend sind: die ökonomisch motivierte Reduktion des Schemas auf einen
relevanten Weltausschnitt sowie der Aspekt der Formalisierung.
In Datenbanken ist ein beschränktes Modell einer Wirklichkeit eingeschrieben,
welches im konzeptuellen Schema formalisiert wird. Derjenige Ausschnitt der
Wirklichkeit, fĂĽr den sich die Autoren der ANSI/X3/SPARC-Empfehlungen haupt-
sächlich interessieren, sind wirtschaftliche Unternehmen, weshalb ihre Erörterungen
stets um diesen Kontext kreisen. Dementsprechend wird das konzeptuelle Schema
beschrieben als »the enterprise’s view of the structure it is attempting to model
in the data base« (Study Group on Data Base Management Systems 1975: I-5). Bei
der Explikation dieses Schemas geht es, wie Bachman dargelegt hat, um die Be-
schreibung der »basic nature of the enterprise« (Bachman 1974: 23). Gemessen an
der Komplexität der »Realität« ist dieses Modell stets unvollständig, d.h. das kon-
zeptuelle Schema reduziert die Komplexität der Wirklichkeit auf ein bestimmtes
Abstraktionsniveau, welches die äußeren Grenzen der Datenbank markiert:
»While it may be the case that the universe is ›best‹ described by the interactions
of 3.1081 quarks, the typical engineer is more apt to build his bridge by combining
girders, cross braces and rivets. The molecular biologist may view the human being
as a complex structure of water, protein molecules, DNA and other assorted che-
micals, but to the insurance agent a human being is not much more than an age,
sex, and checkbook. For any application one abstracts those aspects of ›reality‹
considered relevant and ignores the rest.« (Study Group on Data Base Management
Systems 1975: VIII-30f.)
Was im Entwurf des konzeptuellen Schemas keinen Platz findet, hat in der Welt
der Datenbank keine Existenz.41 Die Grenzen des konzeptuellen Schemas sind die
Grenzen der Datenbank. Dieser notwendigen Beschränktheit von Datenbank-
systemen stellen die Mitglieder der Study Group das fragwĂĽrdige Versprechen ent-
gegen, dass im konzeptuellen Schema zwar nicht alle, aber doch zumindest alle
relevanten Aspekte der Wirklichkeit modelliert werden. Hierbei ersetzen die Autoren
letztlich eine Vollständigkeitsutopie (die Datenbank enthält alle Informationen)
durch eine andere (die Datenbank enthält alle wichtigen Informationen). Darüber,
welche Aspekte von Bedeutung sind und welche nicht, lässt sich jedoch trefflich
streiten. Daher sind die konzeptuellen Modelle von Datenbanken nie bloĂźes Abbild
der Wirklichkeit, sondern eine Konstruktion dieser.
blemen keine zentrale Bedeutung beigemessen haben, weshalb von dem Versuch
abgesehen wird, das Modell einer detaillierten Kritik zu unterziehen.
41 | Die Unvollständigkeit von konzeptuellen Schemata wird auch in Bezug auf den
ökonomischen Gebrauchskontext erwähnt: »As the conceptual schema is a formal
model of the enterprise, when the situation is at all complex, the model may be
logically incomplete« (Study Group on Data Base Management Systems 1975: I-6).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242